Für das Londoner Finanzzentrum könnte es sich als ein Schicksalsfrage erweisen: Wie viele Jobs wird Goldman Sachs aufgrund des Brexits ins übrige Europa und anderswohin verlagern? Offiziell will die Bank hierzu keine Stellung beziehen. Noch befände sich die Bank in der Planungsphase. Doch unter der Oberfläche brodelt es. Angeblich sollen viele Jobs verlagert werden und sich einige Führungskräfte anders umschauen.
„Die Mitarbeiter aus den Bereichen Operations und Regulatory Risks werden als erste in großen Zahlen verlagert“, berichtet ein Consultant, der mit den Plänen der Bank vertraut ist. „Einige der europäischen Sales-Mitarbeiter wurden bereits gefragt, ob sie gerne ‚nachhause‘ gehen würden und eine Reihe von führenden Mitarbeiter der Investment Banking Division bereiten sich darauf vor, in den kommenden Monaten nach Kontinentaleuropa umzuziehen. Dem Rest wurde erzählt, dass sich die Situation im Fluss befinde und dass die Lage alle drei Monate neu bewertet werde. Doch die Erwartung lautet, dass schließlich viele gehen werden.“
Bereits im Januar hatte das Handelsblatt gemeldet, dass die Bank plane, 3000 Stellen von London in Richtung Frankfurt, New York und Warschau zu verlagern – wobei die Kundenbetreuer für Frankreich und Spanien nach Paris und Madrid wechseln sollen. Zwar folgte umgehend ein Dementi, doch dies fiel lauwarm aus. Laut Goldman Sachs ist noch keine Entscheidung gefallen.
Falls die Entwicklung so eintreffen sollte, dann würde eine jahrzehntealte Erfolgsgeschichte der Bank in der City revidiert. Goldman Sachs International wurde 1988 in London registriert. 1989 beschäftigten die Amerikaner gerade einmal 715 Mitarbeiter – 420 im Front und 295 im Back Office. Sie strichen durchschnittlich gerade einmal 18.000 Dollar ein. In den beiden folgenden Jahrzehnten stiegen Beschäftigung und Bezahlung steil an, bis der Trend durch die Finanzkrise aufgehalten wurde. Seither hat sich die Bank zwar erholt, dennoch scheinen die alten Zeiten passé zu sein.
Falls sich die in den Medien kolportierten Brexit-Pläne als zutreffend herausstellen sollten, dann könnte Goldman Sachs in der City auf das Niveau von vielleicht 1999 zurückgeworfen werden. Dann würde der Brexit erreichen, was Asienkrise, das Platzen der New Economy-Blase und die Finanzkrise nicht zuwege brachten, nämlich dass Goldman Sachs sein Europa-Geschäft deutlich restrukturiert. Gewinner könnte der Standort Frankfurt werden, wo der Konzern gerade einmal etwa 200 Mitarbeiter in den obersten Stockwerken des Messeturms beschäftigt. Die Amerikaner haben allerdings ihre Hausaufgaben erledigt. Denn die Goldman Sachs AG verfügt schon seit Jahren in Deutschland über eine Vollbankenlizenz.
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