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GASTBEITRAG: Wie ich die Automatisierung des Tradings überlebt habe

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Regelmäßig bin ich nach China gereist. Während des Smalltalk bei den unvermeidlich opulenten Banketten wurde ich immer gefragt, wie viele Kinder ich hätte. Als ich mitteilte, dass ich drei Söhne habe, starrten mich meine Gesprächspartner an als ob ich gerade in der Lotterie gewonnen hätte. Westler beeindruckt so etwas weniger.

Doch noch interessanter war die Folgefrage: „Wollen Sie, dass ihre Kinder in die Finanzdienstleistungen gehen? Ich antwortete, dass der älteste Literarturwissenschaft studiert, der mittlere eine Schauspielschule besuchen wolle und dass mein jüngster Sohn gerne als Pinguin anfangen würde – OK, damals war er gerade sechs Jahre alt. Kurz, der Werdegang meiner Kinder unterliegt nicht meiner Kontrolle.

Umgekehrt wurde ich regelmäßig von Freunden um Rat für ihre Kinder gebeten. Falls sie eine Karriere in Finance anstreben, sollten sie sie dabei unterstützen? Welche Profile werden gefragt sein und welche Jobs untergehen? Tatsächlich handelt es sich dabei um interessante Fragen. Hier meine Antworten:

Zunächst gehe ich davon aus, dass die Automatisierung die Finanzdienstleistungen uns noch lange begleiten wird. Die Computer werden angesichts der Kosten, die sie verursachen, immer stärker und Softwarekompetenzen sind ebenfalls auf dem Vormarsch. Auch wird der Trend anhalten, sich IT-Kompetenzen fallweise anzuheuern anstatt sie zu kaufen. Der Einsatz von künstlicher Intelligenz wird allumfassend sein. Dabei beschränken sich diese Tendenzen keinesfalls auf die Finanzdienstleistungen. Die Finanzdienstleistungen sind für die Digitalisierung allerdings besonders anfällig, weil ihre Produkte einfach immateriell sind – eigentlich bestehen sie lediglich aus Informationen. Darüber hinaus sind Finanzexperten besonders teuer, was einen zusätzlichen Anreiz darstellt, ihre Arbeitskraft durch Maschinen zu ersetzen.

Auf diese Herausforderung gibt es nur einen natürlichen Schluss: Es ist besser in einem Bereich zu arbeiten, der die Automatisierung vorantreibt, als einen der durch sie eliminiert wird. Für die speziellen Verhältnisse des Handelssaals heiß das: Sie sollten eher ein E-Trader als ein manueller Trader sein. Es ist auch besser, die Algorithmen für die Software zu entwickeln als als Vertriebler manuell zu arbeiten. Der sicherste Ansatz besteht also in dem eines Computerfreaks: Mithin sollten Sie eher an Ihren C#- und MATLAB-Kompetenzen arbeiten als Lehrbücher zur Unternehmensfinanzierung zu pauken.

Doch wie sieht die Zukunft der traditionellen Sales & Trading-Jobs aus? Dort sind vor allem zwei Kriterien entscheidend: Das erste besteht im Risiko des Automatisierung. Der zweite in den immer neuen Regulierungen. Bezahlung und Jobsicherheit werden also in eine riesengroße Zange genommen.

Der Kostenvorteil stellt dabei den einen Arm der Zange dar. Je mehr Ihr Job aus Routinen besteht und je weniger Verwerfungen Ihr Markt aufweist, desto höher fällt die Wahrscheinlichkeit aus, dass er von der Automatisierung erfasst wird. Selbst wenn das nicht eintreten sollte und Sie Ihren Job nicht verlieren, wird sich die ständige Bedrohung negativ auf Ihre Verdienstmöglichkeiten auswirken.

Schauen wir uns nur den Devisenhandel an, in dem ich früher gearbeitet habe. Es handelt sich um keinen Zufall, dass der erste Job, der 1990 automatisiert wurde, der eines einfachen Spot Traders gewesen ist. Angebote und Nachfrage aufeinander abzustimmen, stellt für Computer eine Kleinigkeit dar, auch wenn es Menschen schwerfällt, und der Markt ist global und ziemlich simpel. Das Spot Trading wurde zuerst erfasst, weil der Markt größer und einfacher ist als derjenige für Futures und Optionen.

Wieso sollte ich mich also ausgerechnet jetzt über die Automatisierung sorgen? Die Antwort lautet: Auch diese Märkte sind groß und vergleichsweise simpel. Das gilt besonders für Interest Rate Swaps, Devisen-Futures und zu einem geringeren Teil für Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps). Die Versuchung und die Motivation, diese Aufgaben zu automatisieren, fallen also sowohl bei den Banken als auch bei Fondsgesellschaften sehr hoch aus.

Kompliziertere strukturierte Produkte lassen sich indes nicht so leicht automatisieren, doch sie werden von dem zweiten Schenkel der Zange bedroht: der Regulierung. Damit sinkt auch ihre Anziehungskraft für die Banken. Doch mit der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten und der Zerlegung des Dodd Frank-Gesetzes in den Vereinigten Staaten muss das regulatorische Umfeld, es  seit2008 gilt, nicht das letzte sein. In einem solchen Fall könnten strukturierte Produkte sogar eine Renaissance erleben. Ich möchte indes nicht kommentieren, ob es sich dabei um etwas Gutes oder Schlechtes für die Gesellschaft handelt. Wer würde schon gegen die Banken und andere Unternehmen wetten, die in die aufregende Welt der Rohstoffe zurückkehren?

In der Sales-Welt gibt es ähnliche Zangen. Auch hier gilt offensichtlich: Je routinierter die Tätigkeit ausfällt, desto eher lässt sie sich abschaffen. Wenn es in Ihrem Job nur um die Ausführung geht, dann werden Sie – so oder so – Ärger bekommen. Daher sind auch die sichersten Jobs diejenigen, die sich kaum standardisieren lassen, in den es auf Beziehungen ankommt und die Märkte die wenigsten Verwerfungen aufweisen. Da liegen natürlich M&A-Stellen vorn, die Vertriebsunterstützung in den Schwellenländern, besonders wenn dort eine hohe Bürokratie herrscht, oder umfangreiche menschliche Eingriffe verlangen, um die Liquidität sicherzustellen.

Der schlaueste Weg könnte darin bestehen, ein Startup aufzuziehen – nur müssen Sie dazu einen gewissen Mut aufbringen.  Es herrscht kein Zweifel: Die Welt der Finanzdienstleistungen wird sich auch künftig rasant verändern und auch künftig können Leute viel Geld verdienen, die bei dieser Veränderung mithelfen. Das Papiergeld, das automatische Market Making, das Research von Boutiquen und Blockchain – alle diese Gebiete ziehen geradezu magisch Geld und Talente an. Das einzige Risiko besteht darin, dass Sie auf das falsche Pferd setzen. So etwas könnte Ihnen teuer zu stehen bekommen.

Insgesamt gibt es immer noch eine Vielzahl von Chancen. Allerdings enthalten diese größere Risiken als in der Vergangenheit. Kein Wunder, dass meine chinesischen Freunde regelmäßig feststellten: „Wir leben in interessanten Zeiten.“

Kevin Rodgers hat 1990 seine Karriere als Trader bei Merrill Lynch begonnen, bevor er zu Bankers Trust wechselte, die später von der Deutschen Bank übernommen wurde. Dort arbeitete er 15 Jahre als Managing Director, zuletzt als Chef des Devisenhandels.

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