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INTERVIEW mit Hubertus Väth: Wann kommen endlich die ersten Brexit-Jobs nach Frankfurt?

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Seit dem Brexit-Referendum hat Hubertus Väth als Geschäftsführer von Frankfurt Main Finance alle Hände voll zu tun. Seine Aufgabe besteht darin, möglichst viele Finanzdienstleister zu einem Wechsel von London nach Frankfurt zu bewegen. In einem Interview beantwortet Väth die Frage, wann denn endlich die ersten Brexiters in Frankfurt erscheinen.

Alle sprechen vom Brexit. Aber was den Umzug von der Themse an den Main betrifft, gibt es keine Fakten – jedenfalls keine belastbaren. Was beobachten Sie als Vermarkter des Finanzplatzes Frankfurt, welche Anfragen erhalten Sie?

Wenn Sie sagen, es gibt keine Fakten – zumindest keine belastbaren, dann ist der zweite Teil richtig. Es gibt eine Menge Fakten, die sind aber nicht belastbar, weil sich die Banken aus nachvollziehbaren Gründen bedeckt halten. Namentlich die US-Banken mussten Notfallszenarien entwickeln und diese bei der US-Notenbank Fed hinterlegen. Wenn man in der Community unterwegs ist und mit den Akteuren spricht, dann kennt man diese Pläne. Natürlich bereitet man sich in den Banken – das gehört zu einem guten Management dazu – auf den Worst Case vor.

Ich habe gehört, dass sich demnächst eine große US-Bank zu ihren Brexit-Plänen äußern wolle und es dabei um die Verlagerung von einigen hundert Arbeitsplätzen nach Frankfurt gehe.

Es wird auch losgehen, ich kann ihnen aber kein genaues Datum nennen. Ich weiß, dass mehr als eine amerikanische Großbank bereits ihre Entscheidung für Frankfurt getroffen hat. Wird Ihnen das jemand bestätigen: nein; kann ich Ihnen Namen dazu nennen: nein. Aber unter den großen amerikanischen Banken hat sich die Mehrzahl für Frankfurt entschieden.

Wir haben natürlich schon einmal nachgeschaut, wer Banklizenzen in Deutschland besitzt. Dazu zählen Goldman Sachs, JP Morgan, Morgan Stanley, Citi – nur die Bank of America nicht. Neben den US-Banken ist auch interessant, was Schweizer und asiatische Banken unternehmen werden.

Namen kann ich ihnen nicht nennen. Aber wir sind in all diesen drei Regionen in der Pole-Position. Nach den Gesprächen, die ich geführt habe, ist Frankfurt klar vorne. Für Frankfurt sprechen die Infrastruktur, die Regulierung, ganz wichtig: die Kosten und die Kompetenz und Glaubwürdigkeit der deutschen Regulierung. Es spielt nicht nur die Nähe der Europäischen Zentralbank (EZB) eine Rolle, sondern auch die Professionalität der BaFin. Die Rückmeldungen aus der Branche zu beiden Institutionen sind überaus positiv. Und auch von erheblicher Bedeutung: Die regulatorischen und steuerrechtlichen Verfahren und Anträge können weitgehend auch auf Englisch erfolgen.

Von der Bundesregierung hört man zu dem Thema kaum etwas. Beim Standortmarketing sieht man hauptsächlich Aktivitäten der hessischen Landesregierung, während in Frankreich die sozialistische Regierung kräftig die Trommel rührt.

Was stellen Sie sich vor? Erwarten Sie, dass Angela Merkel nach London fliegt und die Banken nach Frankfurt einlädt?

Nein. Was ausländischen Banken aufstößt, ist der rigide Kündigungsschutz in Deutschland. Man sähe es gern, dass dieser für Großverdiener gelockert würde.

Vor der Bundestagswahl bekommen Sie ein solches Gesetzgebungsverfahren nicht angestoßen.

Dieses Argument höre ich regelmäßig. Bei Gehältern von z.B. über 200.000 Euro kann ich mir nicht vorstellen, dass Sozialpolitikern und Gewerkschaftern die Mitleidstränen die Wangen herunterkullern.

Wir haben dieses Thema bereits vor dem Referendum als Kernpunkt identifiziert und alle  Akteure sensibilisiert.

Frankfurt steht bekanntlich in Konkurrenz zu Finanzplätzen wie Paris, Luxemburg und Dublin. Worin sehen Sie die Kernvorteile der Stadt?

Alle diese Plätze werden in der einen oder anderen Weise vom Brexit profitieren. Die zentralistische Struktur dieser Branche entwickelt sich zu einer multipolaren. Frankfurt ist in der Pole-Position: Erstens besitzen wir eine sensationelle Infrastruktur – vom Internet bis zum Flughafen. Zweitens sind wir bei den Kostenstrukturen mehr als wettbewerbsfähig. Drittens besitzen wir einen großen Talentpool. Das Rhein-Main-Gebiet zählt mehr als fünf Mio. Einwohner und 160.000 Studenten.

Deutsche Bank-Chef John Cryan hat kürzlich angedeutet, dass ein Umzug von London nicht nur nach Frankfurt, sondern auch nach Berlin führen könne. Wie sehen Sie die Konkurrenz durch Berlin oder München? Bei IT oder Middle- bzw. Back Office-Tätigkeiten ist die Hauptstadt doch eigentlich der bessere Standort?

Berlin ist ein Low Cost-Standort und das bei ähnlichen Ausbildungsstandards und ähnlichen Bedingungen. Ich fände es auch gut, wenn Berlin vom Brexit profitieren würde. Dann braucht die Stadt hoffentlich irgendwann mal weniger Alimentierung.

Welche Geschäftsbereiche werden als erstes von London nach Frankfurt verlegt?

Die erste Wechselwelle werden die Investmentbanken sein. Die werden in der ersten Jahreshälfte entscheiden, die Mehrzahl sogar noch im ersten Quartal. Ob die Entscheidungen auch kommuniziert werden, das lasse ich mal dahingestellt. Die zweite Welle werden die Commercial Banks darstellen, die sich ein wenig mehr Zeit lassen können, weil ihr Setup in Frankfurt deutlich leichter ist als das der Investmentbanken und die dritte Welle wiederum wird aus Asset Management, Dienstleistern usf. bestehen.

Das Investment Banking stellt sicherlich den Pace-Setter dar: Dazu zählen maßgeschneiderte Produkte für Unternehmenskunden – also alles was die deutsche Industrie für ihr internationales Geschäft benötigt wie etwa Absicherungen gegen Schwankungen der Zinssätze oder Währungskurse. Ein weiteres Thema ist das Euro-Clearing, um das derzeit ein heftiger Kampf gefochten wird. Da wird das Rennen zwischen New York, London, Frankfurt und Paris gemacht werden. Dabei stellt sich vor allem die Frage, wie sich die EZB positionieren wird.

Euro Clearing in New York? Es hört sich schon sonderbar an, dass nach einem Brexit das Euro-Clearing außerhalb der Eurozone stattfinden könne…

Es gibt Leute, die sagen: Die Equivalence-Regelung zwischen der EU und den USA decke das Euro-Clearing mit ab. Deswegen diskutieren die Londoner mit großer Begeisterung darüber, auch die Equivalence-Regelungen zu übernehmen. Laut Juristen soll diese Regelung jedoch rechtlich nicht belastbar sein. Im Zweifel würde sich darauf keine Bank verlassen.

Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sich EU-Kommission, EZB und Regulierungsbehörden auf ein Euro-Clearing in New York einlassen werden – besonders im gegenwärtigen politischen Umfeld.

Das wird auch nicht passieren. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass das in London bleibt.

Wie sieht es mit den Arbeitsplätzen aus? Wenn Geschäftsbereiche von London nach Frankfurt verlagert werden, dann gibt es eigentlich nur drei Möglichkeiten: Entweder ziehen die Mitarbeiter mit, sie werden gefeuert und neue Leute in Frankfurt eingestellt oder eine Mischung von beidem.

Nach meiner Einschätzung wird der erste Schritt in der Verlagerung von deutschen Ressourcen, die in London arbeiten, nach Deutschland bestehen. Der zweite Schritt heißt, dies auf andere europäische Ressourcen auszuweiten. Die Arbeitgeber werden ihren Angestellten ein Angebot für den Umzug machen. Wer es nicht annimmt, den wird man durch lokale Ressourcen hier in Frankfurt ersetzen.

Das stelle ich mir gar nicht so leicht vor. Falls tatsächlich im größeren Stil umgezogen werden sollte, dann könnte es doch in einigen Bereichen wie z.B. der Compliance zu Engpässen kommen. Wir sprechen immerhin von einigen tausend Leuten.

Aber schauen Sie mal, wie viele tausend Deutsche, Franzosen, Italiener und Spanier in London arbeiten. Sie benötigen nicht einmal 40 Prozent dieser europäischen Ressourcen, um die von mir prognostizierten 10.000 Stellen zu besetzen.

Wann kommen denn die ersten Brexit-Stellen?

Ich denke, dass sich dieser Prozess über fünf Jahre hinziehen wird. Schon 2016 sind über 100 Leute umgezogen. Für 2017 lautet meine Prognose, dass wir die Schwelle von 1000 Stellen überschreiten werden. Die richtig große Bewegung erwarte ich für 2018 und 2019.


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