Mittlerweile haben die meisten Leute ihren Bonus erhalten. Als ehemaliger Managing Director von Nomura erinnere ich mich zu dieser Jahreszeit immer an die heiklen Gespräche mit meinen damaligen Mitarbeitern.
Als ich die Umschläge mit den Bonuszahlen den Directors und Vice Presidents in meinem Team hinüberschob, wurden nicht nur die Beträge diskutiert. Die erste Frage lautete nahezu immer: „Wieso wurde ich nicht befördert, wenn ich doch zu den leistungsstärksten Mitarbeitern zähle?“
Doch versuchen wir erst einmal ihre Motivation nachzuvollziehen: Viele Vertriebsmitarbeiter sind gar nicht an einer Beförderung interessiert, weil Sie ein guter Manager sein wollen, sondern nur weil sie in der neuen Position mehr verdienen. Darin liegt ein Problem.
Ich hatte Glück, zu einem frühen Zeitpunkt in meiner Karriere einen guten Mentor zu finden und ich habe auf den Rat von erfahrenen Vertriebsleuten und Tradern gehört. Letztlich läuft es darauf hinaus: Beförderung hat damit zu tun, anderen Leuten zu helfen.
Egoistisches Verhalten wird hingegen ungern gesehen. Vor einigen Jahren habe ich miterlebt, wie ein Topverkäufer in New York nach jedem großen Geschäft ein Schild hochhielt: „Das war ich.“ Derartige Ausfälle sehen wir heute nicht mehr. Dennoch lieben die Leute auch heute noch offensichtlich ihre Leistungsträger und sie werden hauptsächlich danach bezahlt, wie viel Geld sie hereinbringen. Das bedeutet jedoch noch lange nicht, dass dies die Beförderung in eine Führungsaufgabe rechtfertigt.
Ich habe mein Vertriebsteam geführt, indem ich weniger Wert auf die Vertriebserfolge gelegt habe. Dabei gab es Manager, denen das ganz und gar nicht gefiel. Sie beschuldigten mich, dass ich zu wenig auf die Vertriebsleistungen achte und zu viel auf die individuelle Karriereentwicklung und das langfristige Kundenverhältnis.
Derzeit werden die Vertriebsteams der Investmentbanken abgespeckt. Denn eine wachsende Zahl von Banken konzentriert sich auf jene Großkunden, die für das Geschäft sorgen. Bei Vertriebsmitarbeitern handelt es sich um paranoide Leute und sie verteidigen ihre Kunden wie eine Glucke ihr Nest.
Falls Sie die Karriereleiter erklimmen wollen, dann macht es m.E. Sinn, dass Vertriebsmitarbeiter einige ihrer Kunden an ihre Kollegen „verschenken“. Eben darin besteht Management – ob Sie es mögen oder nicht. Denn die besten Führungskräfte versuchen ihre Erfahrungen an ihre Mitarbeiter weiterzureichen. Dabei gewinnen die Kunden, die Unternehmen und letztlich jeder einzelne Mitarbeiter.
Doch nur wenige Leute in Sales können sich dazu durchringen. Sie fürchten damit ihren Job und ihre Hypothek zu riskieren. Denn Sie glauben, dass ihre Vorgesetzten allein darauf achten, wie viel Geld sie hereinbringen. Leider ist dies tatsächlich dort der Fall, wo das Senior Management immer noch allein auf die Verkaufszahlen starrt. Doch dies muss sich ändern, wenn sich die Unternehmenskultur der Banken zum Besseren wandeln soll.
Wer im Vertrieb arbeitet, dessen Standardeinstellung besteht im Egoismus. Ich habe es sooft miterlebt, dass Vertriebsleute es nicht riskieren wollten, einen Kunden an einen Kollegen weiterzureichen, obwohl dieser weitaus besser qualifiziert war. Dabei handelte es sich um persönliche Entscheidungen, die wahrscheinlich durch Paranoia angetrieben wurden. Und das obwohl ein anderer womöglich mehr Geld aus einem Kunden herausgeholt und ihm dabei auch noch besser weitergeholfen hätte.
Die Vertriebsmitarbeiter müssen lernen selbstloser zu agieren und dass das Weiterreichen von Kunden an Kollegen tatsächlich funktioniert. Viele Geschäftsführer und Personalchefs, mit denen ich darüber gesprochen habe, stimmen mit mir überein. Doch dabei handelt es sich um die Minderheit der Visionäre. Kunden abzugeben, um sich aufs Management zu konzentrieren, ähnelt vielleicht einer Babyschildkröte, die sich auf den Weg ins Meer macht. Doch falls Sie es zum Managing Director bringen wollen, dann handelt es sich um den genau richtigen Weg.
Chris Fleming leitete das Global markets EMEA sales bei der japanischen Investmentbank Nomura. Vorher hatte er Führungspositionen u.a. bei der Royal Bank of Scotland und der UBS.
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