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GASTBEITRAG: Was mir niemand vor meinem Praktikum bei JP Morgan gesagt hat

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Im vergangenen Sommer habe ich ein Praktikum bei JP Morgan absolviert. Am Ende habe ich ein Jobangebot erhalten. Ich hatte jedoch nichts unternommen, was für ein solches Angebot eigentlich verlangt wird.

Erstens habe ich mich nicht eingeschmeichelt. Vielmehr habe ich immer gesagt, was ich wirklich denke. Beispielsweise haben mich zahllose Trader gefragt, warum ich dort arbeiten wolle. Wenn man den Personalern glauben darf, dann müsst Ihr zur Kultur passen und an die Unternehmenswerte glauben. Damit stimme ich überhaupt nicht überein. Wenn das jeder machen würde, dann fügt Ihr Euch lediglich in die Herde ein. Wenn Ihr dagegen Eure Meinung sagt, dann stecht Ihr aus der Masse hervor. Deshalb habe ich immer mit brutaler Offenheit geantwortet, wenn mich ein erfahrener Trader gefragt hat, wieso ich dort arbeiten wolle. „Ich möchte gerne in einem coolen Umfeld arbeiten und viel Geld verdienen“, antwortete ich einem Senior Trader. Er war erstaunt und mein erster Gedanke war: Ich hab’s vermasselt. Doch dann gratulierte er mir. Ich sei der erste Praktikant, der die Frage ehrlich beantwortet habe.

Dieser Trader sollte sich während des Praktikums als besonders hilfreich erweisen. Die Moral von der Geschichte lautet: Lasst Euch nicht von der Idee einlullen, dass Banking die schönste Sache der Welt sei und die Banker zu aller erst an die Unternehmenswerte denken. Denn in der Branche herrscht immer noch das Prinzip, wer nicht frisst wird gefressen – und das wird auch immer so bleiben. Es bleibt also wenig Raum für Leute, die das infrage stellen.

Zweitens bin ich nicht lange genug im Büro geblieben. Die Leute erzählen Euch: Wenn Ihr an Eurem Arbeitsplatz so lange sitzen bleibt, bis alle anderen gegangen sind, dann erhaltet Ihr ein Übernahmeangebot. „Ihr müsst als erstes kommen und als letztes gehen.“ Doch das ist falsch. Ich habe im Sales & Trading gearbeitet und kann daher nicht für alle Bereiche wie etwa die Investment Banking Division (IBD) sprechen. Doch ich habe gehört und auch gesehen, wie viele meiner Mitpraktikanten bis in die frühen Morgenstunden dahinvegetierten. Doch keiner von diesen Malochern sollte ein Übernahmeangebot erhalten. Denn sie haben hart gearbeitet und dabei übersehen, dass das Team überhaupt keine offene Stelle besitzt. Nach dem Brexit-Referendum herrschte Stress. Das Management kümmerte sich ums Geschäft und nicht um die Praktikanten. Die bloße Anwesenheit am Arbeitsplatz spielt keine Rolle. Niemand in den Handelsabteilungen sollte um 4.30 beginnen und um 1 Uhr nachts nachhause gehen. Auf diese Weise erhöht Ihr Eure Chancen für ein Übernahmeangebot nicht.

Anstatt mich drittens in meine Arbeit zu vergraben, habe ich darauf geachtet, wie ich ein Übernahmeangebot erhalten könne. Ihr könnt als Praktikant großartige Arbeit leisten und dennoch kein Angebot erhalten. Vielmehr ist entscheidend herauszubekommen, in welchem Team es eine Vakanz gibt. Ich beispielsweise musste erkennen, dass mich mein Team nicht einstellen würde, denn nach dem Brexit-Referendum standen Kosteneinsparungen auf dem Programm. Also bin ich zu einem anderen Desk gewechselt. Mein altes Team hat von fünf Praktikanten keinen einzigen übernommen.

Was ich allerdings sehr wohl gemacht habe, war nett und freundlich zu sein. So habe ich die Leute um mich herum nach ihren Familien gefragt. Ich habe ihnen vermittelt, dass ich ein menschliches Wesen bin und kein weiterer Roboter, wie er vom mechanischen Einstellungsprozess zuhauf produziert wird. Ich bin einfach ich selbst geblieben und habe den Job bekommen.

Bei Dan Roberts handelt es sich um ein Pseudonym eines ehemaligen Praktikanten von JP Morgan.


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