Die Internet-Revolution macht auch vor Vorstellungsgesprächen nicht halt. Immer mehr Unternehmen und Recruiter schwören auf Videointerviews. Headhunter Stephan Surber von Page Executive in Zürich berichtet, dass Videokonferenzen längst zu seinem Arbeitsalltag zählen.
Besonders beliebt sei dieses Instrument bei Juniorpositionen und Spezialisten bis zum Vice President-Level, wo die fachliche Eignung eines Kandidaten im Vordergrund stehe. Für eine Position eines Managing Directors – oder generell im Front Office – sei ein Videointerview hingegen suboptimal, da es hier entscheidend auf die Persönlichkeit ankomme. „Das kommt bei einem Videointerview schlechter herüber“, erzählt Surber.
Für die wachsende Beliebtheit von Videointerviews spiele nicht nur die geographische Entfernung eine Rolle. Vielmehr falle es zeitlich bei Fach- und Führungskräften oft gar nicht so leicht, einen passenden Termin zu finden. Dann biete sich ein Videointerview als naheliegende Alternative an.
Headhunterin Stefanie Storck von Capital Talent in Frankfurt hat es sogar schon erlebt, dass ein Videointerview angesetzt wurde, weil der Bewerber für einige Wochen im Urlaub war.
Gern wird eine solche Interviewform auch genutzt, um die Liste der fraglichen Kandidaten kostengünstig zusammenzustreichen. Mithin handelt es sich um eine neue Hürde, die immer mehr Kandidaten nehmen müssen, um in die engere Wahl zu gelangen. Damit Sie daran nicht scheitern, haben wir einen kleinen Schlachtplan für Videointerviews entwickelt:
1. Vorbereitung ist alles
Wie vor jeder Schlacht kommt der Vorbereitung entscheidende Bedeutung zu. Surber rät eine Videokonferenz wie jedes andere Vorstellungsgespräch vorzubereiten. Dabei sollten sich die Bewerber gründlich über das Unternehmen und die fragliche Rolle informieren.
Auch in einem Videointerview werde den Kandidaten am Ende des Gesprächs regelmäßig Raum für eigene Fragen eingeräumt. Diese Chance sollte sich kein Bewerber entgehen lassen und kluge Fragen vorbereiten. „Das zeigt dem Kunden, dass Sie sich detailliert mit der Position und ihren Anforderungen beschäftigt haben“, erläutert Surber. Die Fragen sollten möglichst spezifisch ausfallen. „Das signalisiert dem Kunden Interesse und hinterlässt einen positiven Eindruck.“
2. Alle Unterlagen müssen den Beteiligten vorliegen
Anders als in einem Vorstellungsgespräch kann man nicht einfach seinen Lebenslauf über den Tisch schieben. „Stellen Sie vorab sicher, dass alle Beteiligten die vollständigen Bewerbungsunterlagen besitzen“, rät Storck. Sowohl beim Bewerber selbst als auch beim potenziellen Arbeitgeber müssten dieselben Unterlagen bereitliegen. Ansonsten könnte es zu Verwirrung kommen.
3. Die Äußerlichkeiten müssen stimmen
„Alles was den professionellen Eindruck trübt, sollte möglichst vermieden werden“, betont Headhunter Gunnar Belden von der Maturias Personalberatung in Potsdam. Das gelte schon für die Räumlichkeit. Der Hintergrund sollte möglichst neutral gewählt werden.
„Man sollte auch sicherstellen, dass das Gespräch ungestört ablaufen kann“, ergänzt Belden. Es gelte also das Risiko auszuräumen, dass jemand in den Raum läuft oder Babygeschrei im Hintergrund zu hören ist. „Die Vorstellungen von einem Vorstellungsgespräch bewegen sich bei Unternehmen immer noch in konservativen Bahnen“. Dem sollten Kandidaten Rechnung tragen.
Auch bei der Bekleidungsfrage ist ein seriöser Auftritt Trumpf. „Es gilt der gleiche Dresscode wie in einem richtigen Interview“, sagt Storck. Mithin seien für die Herren Krawatte und dunkle Kleidung Pflicht.
4. Pünktlichkeit ist Trumpf
Von der vermeintlich informellen Atmosphäre eines Videointerviews sollte sich niemand täuschen lassen. „Sie müssen pünktlich sein. Jede Verspätung von mehr als fünf Minuten ist ein Problem“, warnt Surber.
Laut Storck müssten die Bewerber auch beachten, dass es möglicherweise einige Minuten dauern könne, um den Computer hochzufahren. „Nicht, dass das Interview schon an der Technik scheitert“, meint Storck. Im Zweifelsfall rät die Personalberaterin zu einem Testlauf zum Beispiel mit einem Freund.
5. Prüfen Sie die Technik
„Man sollte ein Videointerview nur zuhause durchführen, wenn man über ausreichend gutes Equipment verfügt“, betont auch Belden. „Es kann schon einen negativen Eindruck hinterlassen, wenn die Technik schlecht ist.“ Auch die Übertragungsgeschwindigkeit müsse für ein Videointerview ausreichen. Beides sollte vorab sorgfältig geprüft werden. Von einem Headset sei übrigens abzuraten. „Das sieht immer ein wenig sonderbar aus.“
Im Zweifelsfall rät Belden auf die Hilfe professioneller Anbieter wie den Regus Business Centres zurückzugreifen. Dort würden gutes Equipment und angemessene Räumlichkeiten gegen Gebühr bereitgehalten. Auch Recruiter sollten entsprechend ausgestattet sein. „Personalberater können sicherstellen, dass die Videokonferenz professionell abläuft.“
6. Videointerviews stellen keinen Chat dar
Storck zufolge handelt es sich bei einem Videointerview nicht um ein informelles „Beschnuppern“. Vielmehr sollte sich jeder Teilnehmer bewusst sein, dass es sich um ein ganz normales Vorstellungsgespräch handeln kann, das strukturiert nach einem vorher vom Arbeitgeber festgelegten Fahrplan abläuft. „Es handelt sich sicher nicht um Smalltalk“, warnt Storck.
7. Augenkontakt halten
Jeder hat sicherlich schon einmal an einer Videokonferenz oder einem Skype-Gespräch teilgenommen, doch nicht jeder hat auf diese Weise schon ein Vorstellungsgespräch geführt. Storck rät wie in jedem Interview den Augenkontakt zu den Gesprächspartnern zu wahren. Dies fällt bei einem Videointerview nicht unbedingt leicht. „Dazu müssen Sie in die Kamera und nicht auf den Bildschirm schauen“, betont Storck.
8. Das Licht muss stimmen
Belden rät auch auf eine gute Ausleuchtung des Raumes zu achten. „Man sollte für eine ordentliche Sicht sorgen. Die Mimik ist für die Überzeugungskraft in einem Interview wichtig“, ergänzt der Headhunter. „Eine schlechte Beleuchtung kann die Mimik als Kommunikationsinstrument beeinträchtigen.“
9. Lassen Sie Ihr Gegenüber immer ausreden
Bei einem Videointerview würden gewisse natürliche Kommunikationskanäle geschwächt. Es bestehe die Gefahr der „Wortfallen“. Mithin müsse man in einem Videointerview sein Gegenüber eher ausreden lassen, als dies in einem persönlichen Gespräch der Fall sei. „Es kann zu Überlappungen kommen, wenn ein Gesprächspartner noch nicht ausgeredet hat, während er andere mit dem Sprechen beginnt“, erläutert Belden. „Im einem persönlichen Gespräch fällt das wegen der Modulation der Stimme und der Lautstärke nicht negativ auf. In einer Videokonferenz funktioniert das nicht. Deswegen muss man hier mehr Geduld aufbringen.“
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