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Die Kunst einen Trading-Algorithmus zu schreiben

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Wer in Zukunft als Trader beruflich überleben möchte, muss zumindest verstehen, wie Algorithmen funktionieren. Entweder werden Algorithmen das Tradings selbständig steuern oder zumindest den Tradern sagen, ob ein Trade Sinn macht oder nicht. Diese Auffassung hat kein geringerer als der Aufsichtsratschef der Google-Mutter Alphabet Eric Schmidt bei der jüngsten SALT-Konferenz vertreten. Wie dem auch sei, sicherlich werden Algorithmen Menschen einen Großteil ihrer Arbeit abnehmen.

Glücklicherweise hat Quantitative Finance-Veteran Richard B. Olsen jetzt eine detaillierte Anleitung herausgegeben, wie sich Trading-Algorithmen schaffen lassen. Und Olsen muss es wissen, schließlich hat er den quantitativ ausgerichteten Hedgefonds Olsen Limited in Schweiz sowie die Devisen-Website OANDA gegründet.

Olsens Gesamtpaket, das sich vornehmlich an Devisenhändler richtet, lässt sich hier abrufen. Für alle, die eine abgespeckte Version ohne mathematische Gleichungen und zu viel Fachkauderwelsch bevorzugen, haben wird eine Kurzfassung für Dummies erstellt. Nach der Lektüre sind Sie zwar noch immer nicht in der Lage, eigene Algorithmen zu entwickeln, aber Sie bekommen zumindest eine Vorstellung, um was es sich bei einem Alpha-generierenden Algorithmus überhaupt handelt:

1. Verkomplizieren Sie nichts

Ein guter Algorithmus, der nichts anderes als ein mathematisches Modell der Realität darstellt, sollte Olsen zu Folge so einfach wie irgend möglich ausfallen. Die Komplexität auf dem Makro-Niveau sei meist die Folge von einfachen Interaktions-Regeln auf dem Mikro-Niveau. Eben diese Regeln wollen Sie in einem Modell abbilden. „Das System kann natürlich auf eine Reihe von Triebkräften und Funktionen reduziert werden, die die Interaktionen zwischen den Triebkräften beschreiben“, sagt Olsen. Dieses Netzwerk stellt einfach nur die idealtypische Repräsentation Ihres Systems dar. Die Knoten in dem Netzwerk sind die Triebkräfte und die Verbindungen zwischen den Triebkräften beschreiben die Interaktion.

Olsen wählte den Devisenmarkt, weil sich dieser besonders leicht durch ein Modell beschreiben lässt. Die Kurse werden immer im Verhältnis zu einer anderen Währung, den sogenannten Währungspaaren, angegeben, die sich zueinander symmetrisch verhalten. Wenn Sie in einer Währung long gehen, weil Sie der Auffassung sind, dass diese steigen wird, dann gehen sie normalerweise in der anderen short.

2. Definieren Sie Ihren Zeitansatz

Olsen verwendet eine sogenannte „endogene Zeitskala“, bei der die Zeit durch spezifische Aktionen und Ereignisse definiert wird. Nur wenn diese Aktionen und Ereignisse tatsächlich eintreten, tickt auch die Uhr des Systems. Aus diesem Grund bezeichnet Olsen sie auch als „intrinsische Zeit“ – also als eine Zeit, die sich aus sich heraus ergibt und nicht äußerlich bestimmt wird. Dies hat den Vorteil, dass sich damit sämtliche irrelevanten Informationen herausfiltern lassen, die zwischen zwei relevanten Ereignissen vorfallen. Die „signal to noise ratio“ gehört zu seinem Algorithmus-Slang.

3. Definieren Sie die Ereignisse, nach denen Sie suchen

Doch welches sind die Ereignisse, die einen Zeitablauf konstituieren? Nach Olsen sind dies die Trendwechsel eines Devisenkurses (δ) und ein Überschießen nach einem Richtungswechsel (ω). Diese ereignisbasierte Preiskurve wird durch δ und ω gebildet, was Olsen als „Küstenlinie“ bezeichnet.

Damit das Modell funktioniert muss jedoch eine Schwelle benannt werden, ab der das Modell aktiviert wird. Im Modus steigender Kurse wird der höchste Preis aktualisiert und kontinuierlich angehoben. Wenn der Kurs wieder zu fallen beginnt, dann wird der Unterschied zwischen dem höchsten und dem aktuellen Kurs ermittelt und wenn der Unterschied den vorgegebenen Schwellenwert überschreitet, dann gilt dies als Trendwechsel. Wenn der Kurs sich dann weiter in die gleiche Richtung entwickelt, dann gilt dies überdies noch als Überschießen.

Unten sehen Sie ein grafisches Beispiel. Der Chart auf der rechten Seite zeigt nach Olsen eine „Küstenlinie“ des EUR/USD-Kurses. Die blauen Dreiecke stehen für Trendwechsel und die grünen Punkte für Überschießen.

Directional change and overshoot

4. Fügen Sie eine Skalierung ein

Oft ist es hilfreich, das Ausmaß des Überschießends vorwegzunehmen. Laut Olsen gebe es oft eine Korrelation zwischen Trendwechseln und Kursdurchbrüchen. „Auf den Trendwechsel δ folgt ein Überschießen ω von der gleichen Größe hωi≈ δ.“ Auch dies kann in dem Modell berücksichtigt werden.

Scaling laws

5. Definieren Sie, was passiert, wenn ein Ereignis eintritt

Der „Alpha Engine“ von Olsen stützt sich auf ein Modell, dass dem Trend entgegengesetzt ist. Demnach werden Tradingpositionen, die dem Trend widersprechen, von dem Algorithmus entweder aufrechterhalten oder verstärkt.

Letztlich besteht das Ziel darin, sämtliche Spielarten der Devisenkursentwicklung zu traden, die Olsen als „Küstenlinie“ bezeichnet. Es handelt sich also gewissermaßen um das Trading entlang der Küstenlinie. Wie dies theoretische ablaufen soll, zeigt der folgende Chart.

Coastline trading

6. Bauen Sie Wahrscheinlichkeits-Indikatoren ein

Doch Vorsicht. Wenn die Märkte sehr starke Trends erleben, dann verhalten sie sich nach Olsens Erfahrung oft nicht nach dem Modell. Das Verhalten der Marktteilnehmer ändere sich, wenn sehr große Positionen auf dem Spiel stünden. Aus diesem Grund müsse auch ein Wahrscheinlichkeits-Indikator (L) eingebaut werden, der das Modell über die Zeiten turbulenter Marktentwicklungen hinweghilft. Wenn die Marktteilnehmer viel Geld im Spiel haben, dann handeln sie weniger als sonst. Durch das Einfügen von L in den Algorithmus kann Olsen verhindern, dass zu große Positionen in turbulenten Märkten eingegangen werden.

7. Fügen sie asymmetrische Schwellen ein, die den Trend reflektieren

Weiter empfiehlt Olsen Schwellenwerte für die Trends zu erstellen. Sie möchten vielleicht verschiedene Schwellen festlegen, ab wann die Märkte steigen oder fallen. Dies wird bezeichnet als  δ→ (δup für steigende Kurse; δdown für fallende). Entsprechend steht  ω = ω (δup, δdown) für das Ausmaß des Überschießens nach einem Trendwechsel.

Der Effekt asymmetrischer Schwellenwerte wird unten gezeigt. Links durchbricht der Kurs eine Schwelle und dort werden zwei Ereignisse durch die nach unten zeigende Pfeile dokumentiert (wo Short-Positionen zunehmen). Auf der rechten Seite wird die asymmetrische Schwelle genutzt, um den Durchbruch in vier Segmente zu unterteilen, so dass die Short-Positionen viermal erhöht werden anstatt von nur zweimal.

Asymmetric cascading

8. Backtesten Sie

Wenn Sie erst einmal einen Trading-Algorithmus geschaffen haben, dann müssen Sie ihn erst einmal ausgiebig testen. Dies geschieht anhand historischer Kurse, was „backtesting“ genannt wird. Olsen hat beispielsweise sein Modell mit den Kursen von 2006 bis 2014 überprüft. Dabei hat er – ohne irgendeinen Hebel – eine Performance von 213401 Prozent bei einer jährlichen Sharp-Ratio von 3,06 erzielt – allerdings nur theoretisch.


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