So mancher träumt davon, Berge zu besteigen oder Flugzeuge zu fliegen. Ich wiederum wollte, seitdem ich denken kann, im Aktienhandel arbeiten. Für mich als naiven Teenager befanden sich Equity Trader im Zentrum des Marktgeschehens und verdienten für ihre Arbeit Respekt und viel Geld.
Ich lag völlig daneben. Handelssäle sind sehr aggressive und kompetitive Orte. Manchmal geht die Aggressivität auf die Trader im eigenen Handelssaal zurück. So wurde bei Barclays beispielsweise Trader Peter Johnson beschuldigt, seinen 23jährigen Assistenten zu erniedrigen.
Manchmal geht die Aggressivität aber auch auf die Kunden zurück. Zwar wollte ich für eine Bank arbeiten, allerdings gelang mir der Einstieg nach der Uni nicht direkt. Wie so viele andere auch startete ich in so etwas wie dem Kundendienst eines Finanzsoftware-Anbieters. Nach nur zwei Wochen Training sollte ich Anrufe beantworten.
Als der erste Anruf kam, war ich sehr aufgeregt. Ich nahm ab und war drauf und dran meinen einstudierten Text herunterzuleiern. Doch so weit kam ich gar nicht. Ein verärgerter Trader schrie mich an: „Sch…., ich kann nicht traden. Reparier das sofort!“ Bevor ich auch nur antworten konnte, hatte er schon aufgelegt. Der Anruf war aufgezeichnet worden und ich spielte ihn meiner Vorgesetzten vor. Sie hörte ihn sich an und sagte, dass ich härter im Nehmen werden müsse: Ich müsse mir in dieser Branche eine dickere Haut zulegen.
Wie sich herausstellen sollte, handelte es sich bei dem Kunden um den Chef des Tradings eines großen Hedgefonds aus London. Bevor er dort anfing, hatte er im Investment Banking gearbeitet und er zählte mittlerweile zu den Leuten, die die höchsten Provisionen zu vergeben hatten. Aus ihm sprachen Jahre der Frustration, die sich während seiner als Brokerzeit in ihm aufgestaut hatten. Er wusste, dass er es sich mittlerweile leisten konnte, unhöflich zu sein. Und er sollte kein Einzelfall bleiben. Während meiner vier Jahre in dem Job lernte ich sie alle kennen.
Schließlich landete ich in einer Sales-Funktion bei einer US-Großbank in London. Vielleicht denken Sie, dass die Verhältnisse dort besser ausfallen. Das sind sie auch, aber eben nur teilweise. 95 Prozent meiner Kunden sind tatsächlich OK, 5 Prozent nicht. Aber diese 5 Prozent genügen vollkommen, um den ganzen Ton zu verändern. Einer der jüngsten Höhepunkte war der Anruf eines Traders: „Hallo, ich möchte, dass die Gebühren gesenkt werden, weil ich das einfach so haben will.“ Ein anderer sagte: Er wisse, was uns der Handel in einem bestimmten Marktsegment koste und er wolle, dass wir seine Kosten entsprechend senken. Doch wie sollen wir dann unsere Kosten für Strom, IT und Gehälter bestreiten?
Als Sell-side-Broker (also bei Investmentbanken) muss man solche Dinge einfach zur Kenntnis nehmen. Wenn die Trader von der Buy-side (also bei Fondsgesellschaften) Sie anschreien, kritisieren oder nichts zahlen wollen, dann kann man nichts erwidern. Ironischerweise sind diese Leute selbst nur Handlanger. Denn es sind die Portfolio Manager, die die eigentlichen Trading-Ideen haben. Alles was die Trader auf der Buy-Side machen, ist die Ideen entgegenzunehmen und sie an die Broker weiterzureichen. Die Idioten unter ihnen berauschen sich an ihrem Moment der Macht.
Ich würde gerne glauben, ein solches Verhalten habe keine Zukunft. Da heute die Gespräche wesentlich intensiver aufgezeichnet werden, können die Unternehmen solche Vergehen wesentlich leichter ahnden als in der Vergangenheit und es gibt genügend Fachkräfte auf dem Markt, um die entsprechenden Personen zu ersetzen. Dennoch scheren sich noch längst nicht alle Unternehmen auf der Buy-Side um ein solches Verhalten. Die meisten Hedgefonds z.B. konzentrieren sich allein auf ihre Performance.
Aus diesem Grund verfügen Buy-Side-Trader immer noch über eine gewisse Macht – und einige missbrauchen sie. Ich habe schon erlebt, wie Broker von der Sell-side befördert wurden, nur weil ihre Kunden das so wollten. Aus dem gleichen Grund wird bei Sales-Leuten auch gerne einmal ein Auge zugedrückt. Auch habe ich schon erlebt, wie sehr professionelle Angestellte von der Sell-side gefeuert wurden, nur weil ein Trader von der Buy-side sie nicht mochte. Wer als Sales-Experte auf der Sell-side arbeitet, sollte sich darauf einstellen, vor Kunden zu buckeln und zu kriechen, die Ihnen gerade in den Hintern getreten und Sie und Ihren Arbeitgeber als wertlos bezeichnet haben.
Aaqil Jalali ist ein Pseudonym. Es handelt sich um einen Sales-Experten im elektronischen Handel einer US-Bank in London.
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