Vorsicht vor Tinder. Die Dating-App gewinnt auch in Banktürmen an Beliebtheit. Durch die zunehmende Kontrolle der Mitarbeiterkommunikation steigt jedoch auch die Gefahr, bei der Beantwortung verführerischer Nachrichten ertappt zu werden. Ein junger M&A-Spezialist soll sogar schon wegen seines Tinder-Fehlverhaltens gefeuert worden sein. Laut seinen Kollegen sei der Analyst vor die Tür gesetzt worden, nachdem er „unangemessene Nachrichten“ über sein für die Arbeit zugelassenes Smartphone verschickt habe. Auch Monate später habe er noch keine neue Stelle gefunden.
Ihre Kunden würden durch die Regeln des „Bring Your Own Device“ (BYOD) zunehmend verunsichert, meint Nana Wereko-Brobby, die eine Partnervermittlung für Banker in London und New York betreibt. Demnach werden private Geräte für die Nutzung bei der Arbeit lizensiert. Obgleich es dabei OK sein sollte, Tinder-Nachrichten in seiner Freizeit zu versenden, gibt es eine Grauzone. „Meine Kunden aus den Finanzdienstleistungen sind vorsichtig, vom Büro aus Dates zu verabreden und dazu Apps zu nutzen“, sagt Wereko-Brobby. „Wenn Sie im Banking arbeiten, dann wird es teuer, Ihnen zu kündigen. Daher sollten Sie Ihrem Arbeitgeber keine Gelegenheit geben, Ihnen aus disziplinarischen Gründen zu kündigen.“
Doch Banken begnügen sich längst nicht damit, die Smartphones ihrer Mitarbeiter inklusive verschlüsselter Nachrichte zu überwachen. Laut Oliver Blower, dem Chef der Firma VoxSmart, die mobile Kommunikation überwacht, fürchten die Banken, dass die Mitarbeiter ihre Smartphones für Kursfindung und Trading missbrauchen. Mit der verstärkten Überwachung gehen den Kontrolleuren jedoch auch immer häufiger Nachrichten von Dating-Apps ins Netz. Dies stellt vor allem für jüngere Investmentbanker wie Analysten und Associates ein Problem dar, die mit Apps wie Tinder oder InnerCircle ein wenig Schwung in ihr Liebesleben bringen. „Die meisten meiner männlichen Kollegen sind auf Tinder“, erzählt eine Analystin. „Die diskutieren offen ihre Tinder-Dates im Büro, wann immer Vice Presidents und Managing Directors außer Sichtweite sind.“
Ein Trader der Bank of America erzählt, er nutze sowohl Tinder als auch Happn. „Happn ist manchmal besser“, meint er. „Die App zeigt, wie häufig Sie sich in Ihrer Gegend über den Weg gelaufen sind. Wenn Sie im Banking arbeiten, dann laufen Sie sich ständig über den Weg. Da sehen Sie alle Ihre Kollegen.“
In vieler Hinsicht sind junge Investmentbanker die perfekte Zielgruppe für Dating-Apps, für die die Kontrollversuche der Banken besonders ärgerlich sind. „Niemand hier hat die Zeit, sich auf herkömmlichem Weg einen Partner zu suchen“, erzählt ein Associate von JP Morgan. „Viele nutzen Tinder und einige geben sogar mit ihren Eroberungen an. Das ist mittlerweile normal.“
Doch der Missbrauch von Dating-Apps mutiert immer mehr zu einem veritablen Karriererisiko. Die ehemalige Private Bankerin Galyna Nitsetska, die heute Empress Mimi Lingerie betreibt, ist z.B. auf Tinder, weil sich dort Senior Banker herumtreiben, die sie schätzt. Allerdings hatte sie schon ein problematisches Erlebnis mit dem Angestellten einer Schweizer Bank in London, der nicht von ihr lassen wollte.
„Er hat nicht verschwiegen, dass er im Banking arbeitet, aber bei nahezu allem anderen hat er gelogen“, sagt Nitsetska. „Er hat vorgegeben, ein Absolvent von Yale und aus Monaco zu sein, obgleich er eigentlich von einer Uni in Indien kommt. Ich habe die übliche Due Diligence durchgeführt und gesagt, dass er nicht die Wahrheit erzählt habe. Doch das hat er nicht einmal zur Kenntnis genommen. Nachdem ich Tinder gelöscht hatte, hat er mich auf allen anderen Social Media-Kanälen kontaktiert. Er sendet mir mehrmals pro Monat Nachrichten und fragt nach einem Treffen. Das ist ein Albtraum.“
Laut Nitsetska ermutige Tinder junge Männer, sich als jemand anderes auszugeben. „Ich bin schon auf Leute getroffen, die haben gesagten, sie würden bei Goldman Sachs arbeiten. Sie waren aber nicht in der Lage anzugeben, was sie dort machen. Es gibt auch Assistenten von Hedgefonds, die sich als Portfoliomanager ausgeben.“
„Viele Leute scheinen Tinder-Profile zu entwickeln und finden es in Ordnung, Frauen zu manipulieren, um dann bei der Arbeit lustige Geschichten zum Besten zu geben“, ärgert sie sich.
Nitsetska hat sogar dem besagten Banker gedroht, sich bei seinem Arbeitgeber zu beschweren. Davon ließ er sich bislang nicht beeindrucken, weshalb sie vielleicht doch ihre Drohung wahrmachen werde.
Doch einige Bankerinnen haben die Masche bei Tinder heraus. Laut einer jungen Investmentbankerin von Goldman Sachs mache sie sich ein Spiel daraus: „Level 1: In meiner Telefonnummer gibt es zwei Ziffern zwischen 0 und 9, die sich wiederholen. Wenn Du beide herausbekommst, dann gelangst Du zu Level 2. Level 2: Es gibt zwei Ziffern zwischen 0 und 9, die sich nicht in meiner Telefonnummer befinden. Wenn Du eine davon herausfindest, dann gebe ich Dir meine Telefonnummer.“
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