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Die verzweifelte Suche der Fintechs nach Bankern

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Ein Fintech für Geschäftskunden aufzuziehen, ist schwieriger als im Endkundengeschäft – vor allem wenn es sich bei diesen Endkunden um Investmentbanken, Asset Manager oder Versicherungen handelt. „Investmentbanken stellen eine ganz eigene Lebensform dar“, versichert Huy Nguyen Trieu, der früher Managing Director bei der Citigroup war und heute eine Fortbildungseinrichtung für Fintechs betreibt. „Vielleicht denken Sie, dass sie Ihr Produkt benötigen, weil es eines ihrer Probleme löst und ihnen Geld spart. Doch die Entscheider bei den Banken denken zunächst an ihre eigenen Ressourcen: Welche Leute werden von den Veränderungen betroffen, was muss alles angestoßen werden und welche Auswirkungen hat das auf die Unternehmenskultur? Es handelt sich um einen rationalen Abwägungsprozess.“

Die Fintechs stehen regelrecht Schlange, um ihre Produkte an die Bank zu bringen. Um eine Vorauswahl zu treffen, baut beispielsweise ING ein „Fintech Scouting Team“ auf. Laut Ian Hollowbread, Director bei ING Wholesale in London, erhalte die Bank jeden Monat bis zu zehn Angebote: „Da ist alles dabei: Von Regulatorik, Compliance, Risikomanagement, Data Science bis hin zu Trading-Anwendungen.“

Um bei den Banken einen Fuß in die Tür zu bekommen, heuern Fintechs verstärkt Banker mit den richtigen Verbindungen an. Die B2B-Firmen lassen sich mittlerweile grob in zwei Gruppen unterteilen: Einmal sind da diejenigen, die von ehemaligen Bankern gegründet wurden. Sie glauben, eine Lösung für ein Problem gefunden zu haben, das den Banken schon länger große Kopfschmerzen bereitet. Zum anderen gibt es die etablierteren Fintechs, die ehemalige Banker suchen, um einen Weg in die recht abgeschlossene Gemeinschaft der Banken zu erhalten.

„Alle derartigen Fintechs haben mit den gleichen Wachstumsproblemen zu kämpfen“, sagt der ehemalige COO des Global Credit Tradings der Deutschen Bank Mark Beeston, der heute das Risikokapitalunternehmen Illuminate Financial betreibt. „Sie müssen Kompetenzen gewinnen, die über das Gründungsteam hinausgehen. Sie müssen einen Chief Revenue Office, einen Head of Sales oder einen COO einstellen, um weiter zu wachsen. Diese kommen normalerweise aus den Finanzdienstleistungen.“

Der ehemalige Barclays Managing Director Peter De Clercq hat 2014 sein eigenes Fintech „Quantesssence“ aufgezogen, welches von Euroclear unterstützt wird. Die vergangenen drei Jahre hat er damit verbracht, das Geschäft mit Euroclear unter Dach und Fach zu bringen und sein Produkt Investmentbanken und Versicherungen schmackhaft zu machen. „Ich habe keine Ahnung, wie die Leute ohne Verbindungen ihre Produkte an Banken verkaufen“, wundert sich De Clercq. „Aus meiner Zeit bei Barclays und Goldman Sachs kenne ich eine Menge Leute und alle nehmen meine Anrufe an und hören mir zu. Wenn die Leute noch nie von Ihnen gehört haben oder aus einer völlig anderen Branche kommen, dann ist das äußerst schwierig.“

Für alle Banker, die zu Fintechs wechseln wollen, gibt es allerdings einen Haken: die Bezahlung. In derartigen Jobs wird laut einschlägigen Headhuntern üblicherweise ein Grundgehalt zwischen umgerechnet 55.000 und 110.000 Euro gezahlt – je nach Unternehmensgröße. Das große Geld wird erst verdient, wenn die Mitarbeiter nach lukrativen Geschäften Boni oder Anteile an dem Fintech erhalten. Dagegen können Associates nach bloß drei Jahren im Investment Banking laut der Personalberatung Selby Jennings Associates ein Grundgehalt von umgerechnet wenigstens 100.000 Euro einstreichen.

„Ich habe schon hunderte von Bankern getroffen, die zu Fintechs wechseln wollen“, sagt Beeston, dessen Unternehmen Finanzierungen und Beratung von Fintech-Start-ups anbietet. „Als erstes frage ich sie, auf wieviel Gehalt sie verzichten können.“

„Das Gehaltsthema stellt ein großes, aber nicht das Hauptproblem dar“, erzählt Nguyen Trieu. „Die meisten Banker haben damit zu kämpfen, mit dem Start-up-Umfeld zurechtzukommen. Sie sprechen nicht die gleiche Sprache und sie bringen meist auch nicht dasjenige mit, was zu einem Erfolg ohne das Netzwerk eines Großunternehmens erforderlich ist.“

Dennoch herrscht kein Mangel an altgedienten Bankern, die zu einem Wechsel zu halbwegs etablierten Fintechs bereit sind. So ist beispielsweise Oliver Aikens von Morgan Stanley zu Prodigy Finance in London gewechselt und Matt Cullimore, ebenfalls von Morgan Stanley, zu OpenGamma.

Doch die meisten erfahrenen Investmentbanker ziehen es vor, ihr eigener Herr zu werden, und sich weiter mit Problemen abzugeben, die sie bereits lange beschäftigen. So beschäftigt sich De Clercqs Firma mit der „Individualisation of Constant Proportion Portfolio Insurance“ (iCPPI), mit der er sich schon während seiner Zeit bei Barclays auseinandersetzte.

Hollowead bestätigt, dass in der Mehrheit der Fintechs ehemalige Banker tätig sind, „die das Umfeld und den Kontext verstehen, in denen wir operieren.“

Jeder Banker, der zu Fintech wechselt, muss also bereit sein, über einige Zeit beträchtliche Gehaltseinbußen zu verkraften. So musste Beeston nach seiner Zeit bei der Deutschen Bank „über Nacht“ mit einem um 90 Prozent geringeren Einkommen zurechtkommen.

„Die Leute müssen wissen, mit welchen Minimum sie in den kommenden fünf bis sieben Jahren auskommen können“, betont Beeston. „Das sind vielleicht 55.000 Euro im Jahr, nachdem sie vorher im Front Office-Investment Banking Millionen verdient haben. Wenn Sie Schulgebühren für ihre Kinder und eine Hypothek bezahlen müssen, dann fällt das nicht leicht. Sie müssen ehrlich zu sich selbst sein, bevor sie sich zu dem Schritt entschließen.“

Unterdessen glaubt De Clercq, dass die Gefahr des Scheiterns für zusätzliche Motivation sorgt. „Viele Banker wollen ein Fintech starten, aber meist handelt es sich eher um ein Hobby. Sie sind bereits reich, so dass ihre Motivation gering ausfällt“, meint er. „Ich habe mich dagegen voll hineingestürzt. Wenn ich scheitere, dann wäre das wirklich schlecht für mich. Doch für viele Leute heißt Scheitern lediglich, dass sie mehr Zeit auf dem Golfplatz verbringen.“


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