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GASTBEITRAG: Nur Schleimer werden in Investmentbanken befördert

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Falls Sie ein Vice President in einer Investmentbank sind und sich fragen, wieso Sie nicht weiterkommen, dann haben Sie mein uneingeschränktes Mitgefühl. Denn auch ich habe das durchgemacht. Ich war sechs Jahre lang Vice President und jedes Mal in den vergangenen drei Jahren habe ich gedacht, mir würde endlich der Schritt zum Executive Director gelingen. Ebenso regelmäßig wurde ich enttäuscht. Letztlich wurde ich einfach aussortiert. An dieser Stelle möchte ich Leuten in der gleichen Situation erzählen, was ich aus diesen Jahren gelernt habe:

Zunächst spielen weder der formale Beförderungsprozess der Personalabteilung eine Rolle noch all die Ratschläge, wie man das Management auf seine Erfolge hinweist. Wer glaubt, bei Banken handle es sich um Meritokratien, der sitzt einer Illusion auf.

Ich weiß, wovon ich spreche. Denn ich habe sämtliche HR-Kriterien erfüllt. Ich habe in Sales gearbeitet und regelmäßig meine Vertriebsziele erreicht. Ich habe es geliebt, Geschäft hereinzuholen – besonders von Banken, deren Produkt besser als unseres war. Ich habe auch das Cross-Selling geliebt. Ich habe die Kunden hereingeholt und Geschäft für andere Teams in der Bank gewonnen. Während meiner Karriere habe ich sämtliche Erfolge notiert, die für das Management relevant sein konnten, sobald es auf die Halbjahres- oder Jahresgespräche zuging. Auch in meinen Selbstbeurteilungen führte ich sie auf. Ich habe also alles richtig gemacht – für mich ausgezahlt hat es sich allerdings nicht.

Wer selbst in einer Bank arbeitet, weiß wie das läuft. Die Jahresgespräche beginnen üblicherweise gegen Ende November und Sie müssen Ihre Selbsteinschätzung verfassen. Auch beurteilen Sie Ihre Kollegen und umgekehrt. Sie gehen also auf diejenigen Kollegen zu, mit denen Sie zusammengearbeitet haben, und bitten sie um eine Beurteilung und umgekehrt. Das Ganze funktioniert wie eine Beurteilung nach einem Amazon-Einkauf. Sie müssen zwischen 1 bis 5 wählen, wobei 1 die schlechteste und 5 die beste Note ist – der Rest liegt irgendwo dazwischen.

Die Personalabteilung schwört auf dieses Bewertungssystem. Doch ich verrate Ihnen ein Geheimnis: Es spielt so gut wie keine Rolle. Während meiner Zeit bei einer großen US-Bank wurden die Bewertungsergebnisse regelmäßig ignoriert. Sie waren auch stets ungenau: Mein Vorgesetzter liebte es, eine ungesunde Konkurrenz in dem Team anzustacheln und die Bewertungen stellten eine großartige Gelegenheit dar, um den Mitarbeitern in den Rücken zu fallen. Jeder hatte Angst, vor die Tür gesetzt zu werden. Jeder wies daher auf die Fehler der Kollegen hin.

Ich musste also lernen: Wer befördert werden will, kann die Spielregeln des Bewertungsprozesses vergessen. Vergessen Sie auch das Cross-Selling, das Team Playing und alles, was Sie für Ihre Kunden geleistet haben. Stattdessen müssen Sie nur eines machen – das aber gründlich: sich bei den Vorgesetzten einschleimen.

Nehmen wir ein Beispiel aus meinem Team. Dort gab es einen Kollegen, der vom Rest von uns aufrichtig gehasst wurde. Er war kein Teamplayer, er kümmerte sich nur um sich selbst und erreichte nur die niedrigsten Noten bei der Bewertung seiner Kollegen. Niemand konnte ihn leiden, außer unser Boss. Ein Monat nach dem Bewertungsprozess wurden wir in einen Konferenzraum gerufen, um diesem Gauner zu seiner Beförderung zu gratulieren. Natürlich haben wir alle artig gratuliert – ohne es zu meinen.

Ein anderes Mal wurde ich gebeten, an einem Call zu Beurteilung eines Kollegen teilzunehmen, an dem Managing Directors aus dem Ausland beteiligt waren. Es ging um die Beurteilung eines meiner Teamkollegen, dem mein Vorgesetzter wohlgesinnt war. Ich sagte meinem Vorgesetzten, dass es sich bei meiner Gesprächsteilnahme um einen Akt der Höflichkeit handle und dann diktierte er mir Wort für Wort, was ich sagen sollte, damit mein Kollege befördert wurde. Um sicherzustellen, dass ich dies auch sagte, stand er die gesamte Zeit über neben mir. Meine eigene Einschätzung spielte überhaupt keine Rolle.

Vielleicht sind meine Erfahrungen außergewöhnlich schlecht, was ich allerdings bezweifle. Wer es in einer Bank bis an die Spitze bringen möchte, der muss seinem Vorgesetzten den Eindruck vermitteln, dass er eine ganz besondere Persönlichkeit sei. Nur darum geht es. Falls Sie dazu jedoch nicht in der Lage sind, dann sollten Sie nicht Ihre Zeit verschwenden. So schnell werden Sie nicht vorankommen.

Josh Ryan arbeitet in Equity Sales bei einer US-Bank. Es handelt sich um ein Pseudonym.


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