Zuerst war ich schockiert und völlig überrascht. Als ich meine Karriere im Investment Banking begonnen habe, konnte ich einfach nicht fassen, wie meine Kollegen mit den Leuten aus dem Back Office umsprangen und damit auch noch wegkamen. So etwas hatte ich zuvor noch nicht erlebt.
Die Dinge mögen heute etwas anders liegen, aber nicht allzu viel. Ich habe meine Karriere 1999 bei Lehman Brothers begonnen. Vom ersten Tag an konnte ich beobachten, wie die Kollegen aus dem Back Office wie Angestellte zweiter Klasse behandelt wurden. Falls Sie Ihren Ärger an irgendwem auslassen wollten, dann gingen Sie zum Back Office. Wenn Sie sich über jemanden lustig machen wollten, gab es da ebenfalls das Back Office.
Obwohl ich zunächst schockiert war, habe ich mich doch ebenso schuldig gemacht. Es ging zu wie bei dem bekannten Stanford-Gefängnisexperiment: Ich war einfach zu schwach, um nach den Gründen zu fragen und ich habe meinen Teil dazu beigetragen, mit anderen zusammen das unterstützende Personal im Middle und Back Office zu misshandeln.
Damit bin ich noch lange nicht unschuldig. Vielmehr habe ich mich die ganze Zeit über schuldig gefühlt. Es handelt sich einfach um den natürlichen Gang der Dinge – so schien es. Und wer war ich schon, mit Bankern zu streiten, die Jahrzehnte älter waren als ich, nur weil sie den Hörer einfach aufs Telefon geknallt haben, wenn ihnen etwas nicht passte, wenn sie sich in Meetings über das Back Office lustig machten und wenn jemand dafür sorgte, dass das Back Office-Personal nicht anständig bezahlt wurde oder nicht ins Front Office aufstieg.
Irgendwann habe ich verstanden, was dort vor sich ging. Die meisten der Kollegen, die sich so daneben benahmen, haben einfach ihr eigenes Leben gehasst. Sie waren wütend. Sie haben sich darüber geärgert, wie sie von ihren Kunden behandelt worden sind. Sie haben sich über ihre eigenen Vorgesetzten geärgert, die ihre Lorbeeren für das jüngste Geschäft für sich reklamierten. Und sie haben sich darüber geärgert, dass sie ihre Familie seit einer ganzen Woche nicht mehr gesehen haben.
Sie haben also einfach eine Gruppe von angepissten Leuten vor sich, denen jemand Macht übertragen hat. Daher war Machtmissbrauch geradezu unvermeidbar. Wütende Leute und Macht stellen eine schlechte Kombination dar. Dabei wollten sie manchmal gar nicht bösartig sein. Vielmehr ist ihr eigenes Ego derart kaputt, dass sie sich besser fühlen, sobald sie Kollegen erniedrigen.
Falls Sie auch zu den Investmentbankern gehören, die ihre Wut am Middle und Back Office auslassen, dann verdamme ich Sie dafür nicht – schließlich habe ich auch so gehandelt. Doch es obliegt Ihnen, sich zu ändern. Zunächst müssen Sie sich vor Augen führen, dass auch Sie leicht an ihrer Stellen stehen könnten. Diese Kollegen sind nicht weniger intelligent als Sie, sondern sie hatten einfach nicht so viel Glück wie Sie. Zweitens müssen Sie Ihre Wut in produktivere Bahnen lenken: Gehen Sie ins Fitnessstudio, rufen Sie Ihre Oma an oder gönnen Sie sich ein wenig Ruhe!
Falls Sie jedoch im Back Office arbeiten und selbst von Investmentbankern oder Tradern erniedrigt werden, dann habe ich einen anderen Rat für Sie: Lassen Sie Ihr Selbstwertgefühl nicht von diesen Leuten beeinträchtigen. Schließlich haben Sie selbst einen langen erfolgreichen Weg hinter sich – darauf sollten Sie stolz sein. Das Karma wird die Angelegenheit schon richtig sortieren. Zweitens sollten Sie nicht selbst wütend reagieren. Manchmal benötigen die Leute aus dem Front Office lediglich ein wenig menschliche Wärme. Bleiben Sie freundlich, wenn Sie erniedrigt werden. Wenn diese Leute nach wenigen Wochen feststellen, dass das von Ihnen abperlt, werden Sie von Ihnen ablassen. Und schließlich bleibt Ihnen auch noch die Schadenfreude. Nach der nächsten Krise werden Sie immer noch da sein – zumindest wenn Sie im Risikomanagement oder der Regulierung arbeiten – während diese Leute vom Zyklus hinweggeschwemmt worden sein werden.
Der Autor arbeitete als Managing Director bei Goldman Sachs und bloggt auf „What I Learned on Wall Street“ (WilowWallStreet.com).