Peter Selman, der neue Chef des Aktiengeschäfts der Deutschen Bank, dürfte gut ausgeruht sein. Nach seiner 22jährigen Karriere bei Goldman Sachs hat der 45jährige im September 2016 bei der US-Investmentbank abgemustert. Seit Dezember leitet er nun das globale Aktiengeschäft der Deutschen Bank. Er hat also eine Auszeit von 14 Monaten hinter sich. Hoffentlich ist er gut erholt, denn als neuer Aktienchef steht ihm eine wahre Sisyphusarbeit bevor: Ihm muss endlich der Turnaround gelingen.
Die Jahresergebnisse vom Ende vergangener Woche zeigen, vor welch gewaltiger Aufgabe Selman steht. Während die Erträge im Aktiengeschäft laut den Analysten von JP Morgan bei den US-Banken stagnierten, brachen sie bei der Deutschen Bank um 19 Prozent ein. Damit schnitt das Aktiengeschäft noch schlechter als das mit festverzinslichen Wertpapieren ab. Diese purzelten laut JP Morgan um 11 Prozent, was in etwa auf dem Niveau der US-Banken lag, wo es 12 Prozent bergab ging.
An den mangelnden Versuchen seitens der Deutschen Bank hat es nicht gelegen. Lange bevor der heutige Deutsche Bank-Chef John Cryan das Ruder übernahm, versuchte schon sein Vorgänger Anshu Jain von der einseitigen Ausrichtung auf Fixed Income auf das Aktiengeschäft umzuschwenken. Unter Cryan wurden Anfang 2016 rund 100 Leute für das Aktiengeschäft angeheuert. Dennoch beziffern die Analysten von JP Morgan den Anteil des Aktiengeschäfts an den Investment Banking-Erträgen in den ersten neun Monaten 2017 auf nur 14 Prozent. Zum Vergleich: Bei der UBS waren es 45, bei Credit Suisse 28 und bei der Société Générale 33 Prozent. Laut dem Analystenhaus Coalition landet die Deutsche Bank mit ihrem Aktiengeschäft international nur auf einem siebten bis neunten Rang und stellt damit keinen Schlüsselplayer dar.
Die Deutsche Bank wollte dazu keine Stellungnahme abgeben. Laut Headhuntern plant Selman weitere Einstellungen nach der Bonussaison. Schließlich gibt es auch einige Lücken zu füllen. So hat in der vergangenen Woche Deutsche Bank-Investmentbanking-Chef Marcus Schenck die schlechten Ergebnisse im vierten Quartal für einige Abgänge im Aktiengeschäft verantwortlich gemacht und betonte Selmans Erfahrungen mit Aktienderivaten. Bereits im Januar hat der Konzern den ehemaligen Leiter des Geschäfts mit Aktienderivaten von der Credit Suisse Daniel McNeil abgeworben.
Selman braucht Leute, die dem Bereich neuen Schwung verleihen. Unterdessen fehlt es dem Geschäft nicht an Personal. So hat die Bank im vergangenen Jahr immerhin zwei Managing Directors und sechs Directors eingestellt – darunter im August Eric Johnston als neuen Chef des US-Cash-Equities-Tradings, der von Barclays kommt.
Allerdings scheinen die Probleme der Deutschen Bank im Aktiengeschäft nicht nur am Personal zu liegen. Das elektronische Handelssystem mit dem guten deutschen Namen „Autobahn“ zählte zu den ersten auf dem Markt und wurde 2013 sogar zum besten System gekürt. Doch während Citi 2015 eine maschinenlernende, auf Algorithmen basierende Trading-Plattform an den Start brachte, integrierte die Deutsche Bank 2017 bloß einige Künstliche Intelligenz-Lösungen in ihre „Autobahn“ und das auch nur in Asien. Die Verzögerung kann als Indiz für zu geringe Investitionen in die Trading-Technologie gewertet werden.
Selman kämpft offenbar damit, das Aktiengeschäft der Deutschen Bank in den Griff zu bekommen. Vielleicht kann er den Rat der Leute gebrauchen, die sich bereits mit dem Problem herumgeschlagen haben. Laut dem heutigen Treasurer und früheren Leiter des Aktiengeschäfts in Europa Dixit Joshi entfernen sich die Banken vom großvolumigen aber margenschwachen Aktienhandel und konzentrieren sich auf die margenstärkeren „Kundenlösungen“, also z.B. auf das Geschäft mit Aktienderivaten. Unterdessen tourt der ehemalige Leiter des Aktienhandels der Bank Kerim Derhalli durch US-Unis und verkündet, dass die guten alten Zeiten des Aktienhandels vorbei sind. „Das Geschäft mit Cash Equities war schon zu seinen Hochzeiten kaum profitabel und als die Volumen einbrachen, hat sich das für viele Player einfach nicht mehr gelohnt“, sagte Derhalli vor einem Jahr. So habe sich beispielsweise Nomura bereits vom Aktienhandel in Europa verabschiedet. Die verbleibenden Player müssten ihre Kosten im Griff haben.
Selbst Konzernchef Cryan, der Selmans Einstellung abgesegnet hat, ist sich der dramatischen Veränderungen bewusst. Die Margen seien eingebrochen und Teile des Geschäfts werden zunehmend von Nichtbanken abgezogen. Noch hält Cryan an dem kriselnden Geschäft fest. Doch wenn die jüngsten Neueinstellungen nicht bald einen Turnaround zustande bringen, könnte er seine Meinung noch revidieren.