Wie so viele andere Leute auf der Buy-Side habe ich meine Karriere im Research einer Investmentbank, der sogenannten Sell-Side, begonnen. Als ich meinen ersten Job auf der Sell-Side erhielt, war ich ungeheuer glücklich! Jetzt werde ich das große Geld verdienen und viel übers Investieren lernen, dachte ich.
Wer auch nur ein wenig über die Sell-Side weiß, kann sich denken, wie grundfalsch ich mit beidem lag.
Bei der Vergütung geht es nur bergab
Es gab einmal eine Zeit, in der Leute auf der Sell-Side viel Geld verdienten. Viele altgediente Aktienanalysten haben eine niedrige siebenstellige, Top-Analysten sogar eine mittlere siebenstellige Zahl eingestrichen. Wer auf solche Verdienstmöglichkeiten schielt, ist allerdings zwei Jahrzehnte zu spät dran.
Nach Jahren der wachsenden Regulierung wie die EU-Richtlinie MiFID II sind Sell-Side-Jobs längst nicht mehr so glamourös und lukrativ. Da es weniger Börsengänge und geringere Differenzierungsmöglichkeiten aufgrund von Veröffentlichungsrestriktionen gibt, verdienen die Banken mit dem Research deutlich weniger. Damit kassieren auch die erfahrenen Analysten weniger, was sich auf den niederen Hierarchiestufen fortsetzt. Die Associates kassieren also ebenfalls weniger als in der Vergangenheit.
Weniger Entwicklungsmöglichkeiten
Früher haben die Analysten auf der Sell-Side derart viel Geld verdient, dass sie sich früh aufs Altenteil zurückziehen konnten, oder andere lukrative Karrierewege einschlugen.
Auch das sieht man heute nicht mehr. In der Vergangenheit hat die Sell-Side 25- oder 26jährige Associates zu Aktienanalysten befördert, weil sie einfach nicht genügend Leute finden konnten, um sämtliche Aktien abzudecken. Dagegen gibt es heute Aktienanalysten mit 20 und mehr Jahren Berufserfahrung und ohne jede Absicht abzutreten.
Doch wieso bleiben sie, obgleich sie weniger verdienen als in der Vergangenheit?
Die Antwort liegt auf der Hand: Es gibt einfach weniger Karrierealternativen für langjährige Aktienanalysten. Doch die einzige Möglichkeit eines Associates, deutlich mehr Geld zu verdienen, besteht in einer Beförderung. Doch wie klettert man die Karriereleiter hinauf, wenn niemand gewillt ist, für Sie Platz zu machen?
Stellen Sie sich auf viel Schreibarbeit ein
Niemand schert sich um Associates. Oder nicht ganz: Kaum jemand schert sich um Associates. Es gibt einige wenige langgediente Aktienanalysten, denen die Entwicklung der Associates ein Anliegen ist. Zwar habe ich noch nie mit einem zusammengearbeitet, aber sie gibt es.
Doch die meisten langjährigen Aktienanalysten betrachten Associates lediglich als Werkzeuge – als etwas, das für sie die Schmutzarbeit erledigt. Während sie mit Kunden sprechen, Meetings und Managementteams besuchen – also all das, was Spaß macht, verfassen die Associates Berichte und aktualisieren Modelle. Da viele Aktienanalysten die Länge eines Reports mit seiner Qualität verwechseln, können sich Associates schon einmal auf reichlich Schreibarbeit einstellen.
Lange Arbeitszeiten
Dagegen haben die Analysten auf der Buy-Side meist deutlich kürzere Arbeitszeiten. Nur selten trifft man einen nach 19 Uhr an seinem Arbeitsplatz. Da die altgedienten Analysten die meiste Zeit mit Kundengesprächen verbringen, bleibt ihnen ebenfalls nach 19 Uhr nicht mehr viel zu tun übrig.
Doch womit verbringen die jüngeren Mitarbeiter auf der Sell-Side den späteren Abend? Natürlich mit dem Aktualisieren der Modelle und dem Schreiben der Berichte. Ich weiß ein Lied davon zu singen, wie häufig ich altgediente Aktienanalysten gesehen habe, die in ihren Feierabend spaziert sind und verlangt haben, dass am nächsten Morgen alles fertig und veröffentlicht worden ist.
Trotz all der Entbehrungen und Leiden hat sich meine Zeit auf der Sell-Side gelohnt, da sie es mir ermöglichte, auf die Buy-Side zu wechseln. Darin besteht heute der Hauptzweck eines Sell-Side-Jobs.
Der Blogg Margin of Saving wurde von einem Analysten eines milliardenschweren Hedgefonds geschaffen, um anderen Leuten beim Investieren und Sparen zu helfen.