Falls Sie darüber nachdenken, in Equity Sales zu arbeiten, dann kann ich Ihnen nur einen Rat geben: bloß nicht. Falls Sie bereits im Aktienverbtrieb arbeiten, kann ich Ihnen nur sagen: Gehen Sie so schnell wie möglich. Ich habe selbst in Aktienvertrieb gearbeitet; es handelt sich um einen Beruf ohne Zukunft.
Siebeneinhalb Jahre habe ich in Equity Sales bei einer Großbank in London verbracht. Dort habe ich gleich nach meinem Abschluss angefangen, als noch etwa 20 Leute in dem Team beschäftigt waren. Als ich ging, waren es gerade noch fünf. Nahezu jeder ist verschwunden. Ich konnte auch beobachten, welchen Schock Neueinsteiger erlebten: Nach einigen Monaten begannen sie hinter vorgehaltener Hand nach Ausstiegsmöglichkeiten zu fragen.
Der lange Abstieg von Equity Sales geht u.a. auf die Gebührenerosion zurück. Nachdem die Kommissionen im Aktienhandel kollabiert sind, ist einfach weniger Geld vorhanden. Dies geht teilweise auf den Siegeszug des elektronischen Aktienhandels zurück. Immer mehr Kunden gehen direkt an die Märkte. Und dann gibt es da auch noch die Folgen von MiFID II.
Die im Januar umgesetzte EU-Richtlinie stellt gewissermaßen den letzten Sargnagel für das Equity Sales-Geschäft dar. Die Kunden fürchten jetzt, für Gespräche mit den Vertriebsleuten bezahlen zu müssen. Der Wandel des Kundenverhaltens fällt geradezu dramatisch aus. Früher konnten wir Kunden am Morgen anrufen und mit ihnen Trading-Ideen erläutern. Unter den neuen Verhältnissen von MiFID II zögern die Kunden, da sie Gebühren scheuen. Sie nehmen nicht einmal den Telefonhörer ab. Vielmehr gelangt man lediglich an die Mailbox. Einige schalten diese sogar ab, damit niemand ihnen Gebühren dafür berechnet, Nachrichten auf der Mailbox zu hinterlassen! Doch wie kann man in einer Vertriebsfunktion arbeiten, wenn die Kunden fürchten müssen, schon für Angebote zahlen zu müssen?
Damit sind die Probleme noch längst nicht erschöpft. Dank des elektronischen Handels und der erodierenden Kommissionen wollen die Banken niemanden mehr allein für den Aktienvertrieb einstellen. Vielmehr wollen sie Leute, die das Gesamtangebot von Bankprodukten vertreiben können. Es geht nicht mehr ums altmodische Aktienbroking, sondern um das moderne „Account Management“. Doch der neue Job unterscheidet sich grundlegend.
In der Vergangenheit haben die Equity Sales-Mitarbeiter am Morgen mit den Analysten und Portfoliomanagern von der Buy-Side über ihre Tradingideen gesprochen. So habe ich etwa unsere Kunden unter den Hedgefonds angerufen und ihnen von unseren besten Trades erzählt. Die modernen Account Manager machen dies nicht mehr. Sie vertreiben indes die gesamte Bandbreite von Bankprodukten: nicht nur Aktien, sondern auch Swaps und alles rund um Aktienemissionen. Es geht darum, gewissermaßen die gesamte Bank zu verkaufen.
Dieser Ansatz führt dazu, dass die neuen Account Manager nicht länger mit Analysten und Portfoliomanagern sprechen, sondern mit den operationellen Mitarbeitern der Unternehmen. Beispielsweise sprechen sie mit denjenigen Mitarbeitern, die beim Kunden dafür sorgen, dass ihre Handelssysteme korrekt in unsere Plattformen eingebunden sind, oder mit den Angestellten der Finanzabteilung, damit diese unsere Kurstellung verstehen. Womöglich bleibt noch ein wenig Zeit, um mit den Portfoliomanagern über Tradingideen zu sprechen, aber weitaus weniger als früher. Dafür ist einfach kein Geld mehr da.
Mit dem Wandel der Aufgaben ändert sich auch das Anforderungsprofil an die Mitarbeiter. Ich habe in Equity Sales angefangen, weil ich eine Leidenschaft für Aktien hatte: Ich liebte es, über die Märkte und einzelne Werte zu sprechen. Ich liebte es, mich mit dem Management zu treffen, um herauszubekommen, ich welche Richtung sich eine Aktie bewegt. Dagegen sind die heutigen Account Manager hochorganisierte Verwalter: Sie beherrschen die grundlegenden Systeme und können diese anderen, eher administrativen Mitarbeitern vermitteln.
Aus diesem Grund wollen die meisten von meinen Bekannten auch das Equity Sales verlassen. Und wer nicht vom Ausstieg spricht, befindet sich in Schockstarre. Ich selbst hätte eigentlich noch früher gehen sollen. Allerdings gibt es beim Equity Sales noch einen weiteren Haken. Der Beruf bereitet kaum auf Alternativen vor.
Bei Julia Jones handelt es sich um ein Pseudonym. Sie hat früher im Equity Sales einer Londoner Bank gearbeitet.
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