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Ich war Associate bei JP Morgan: Wieso Frauen aus dem Banking flüchten

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Die Zahlen sind heraus. Die Lücke zwischen der Bezahlungen von Männern und Frauen fällt im Investment Banking gewaltig aus. Wie viele Frauen, die in einer von Männern dominierten Branche arbeiten, überrascht mich das nicht.

Hinter diesen Zahlen verstecken sich zwei althergebrachte Vorstellungen, die immer noch von vielen geteilt werden. Frauen würden weniger verdienen, weil sie sich eine Auszeit für Kinder nehmen oder weniger Leistung erbrächten als ihre männlichen Kollegen. Bevor wir anfangen, möchte ich diese beiden Legenden kurz widerlegen.

Die meisten Frauen, mit denen ich in meiner Bankingkarriere zusammengearbeitet habe, waren kinderlos und Single aufgrund von Zeitmangel. Wenn sie die Karriereleiter hinaufklettern, stellen sie fest, dass sie auch ohne Familienleben nicht fair bezahlt werden und verlieren daher sämtliche Illusionen. Die meisten begabten Frauen, die mir begegnet sind und das Banking verlassen haben, taten dies wegen mangelndem Karrierefortschritt und Chancen. Unterdessen verbreitet das Senior Management den alten Klassiker, wonach Frauen gehen, um Kinder zu haben. Doch keine meiner Bekannten ist gegangen, um Hausfrau zu werden. Stattdessen haben sie als Führungskräfte bei Hedgefonds, Private Equity- oder Venture Capital-Gesellschaften angeheuert. Sie haben ihre eigenen Unternehmen aufgezogen oder sind in andere Branchen gewechselt. Alle sind gegangen, weil sie den Eindruck gewonnen haben, ihre Anstrengungen und harte Arbeit würden nicht belohnt, und das Senior Management versuche gar nicht erst, die Verhältnisse zu verändern.

Statistiken belegen kontinuierlich, dass Frauen bessere Leistungen als Männer erbringen. Allerdings sind die Verhältnisse ähnlich wie in anderen Sparten des Bankings. Es gibt viel mehr Männer als Frauen und sie verdienen besser. Doch wieso ist das so?

Die Antwort fällt leicht: Alle fördern Leute, die genauso sind wie sie. Ein „Boy’s club“ fördert natürlich Männer. Und wenn die Frauen regelmäßig unterbezahlt werden, verlassen sie das Unternehmen und gelangen daher gar nicht erst in Führungspositionen.

Doch lassen Sie uns jetzt untersuchen, wie sich diese Dynamik konkret entwickelt und wie sich das Problem lösen lässt.

1. Der „Boy’s club“

Sie gehen gemeinsam einen trinken, zum Golf, Cricket oder zum Mittagessen. Sie helfen sich auch gegenseitig. Sie stellen sich gegenseitig ihren Kunden und Kollegen vor und schieben sich gegenseitig Karrierechancen zu. Sie stimmen auch wechselseitig für die höchsten Boni, sobald die Beurteilungssaison ansteht. Unterdessen sitzen die Frauen im Büro, arbeiten hart – ungesehen, ungehört und ohne Dank von den Leuten in der Kneipe, die beim Bier über Sport und Geschäft sprechen. #Metoo mag zwar die Welt geschockt haben, doch die Frauen, die ich kenne, überrascht lediglich, dass ihnen tatsächlich einmal zugehört wurde. Aus Erfahrung haben wir gelernt, mit Männer keinen trinken zu gehen, mit den wir kein Date haben möchten. Dabei spielt die Furcht belästigt zu werden eine Rolle. Wir fragen nicht nach Hilfe, damit diese nicht „zurückbezahlt“ werden muss. Vielmehr versuchen wir uns zu beweisen, indem wir härter arbeiten als alle anderen, was wenig Zeit für den Aufbau eines Netzwerks übrig lässt. Die Lösung liegt auf der Hand: Die Frauen sollten den „Boy’s club“ beitreten. Doch so läuft das nicht. Denn wieso sollten die Männer die Frauen auf einen Drink einladen, wenn sie fürchten müssen, im Stil von #metoo beschuldigt zu werden? Oder sollte die Frau den ersten Schritt unternehmen und einfach nach Zeit und Unterstützung in einer Gesellschaft fragen, die von ihr verlangt, sich passiv und ruhig zu verhalten und niemals den ersten Schritt zu machen?

2. Der Beurteilungsprozess

Der Beurteilungsprozess stammt aus dem „Boy’s club“. Die Beurteilung besteht bei den meisten Finanzdienstleistern darin, dass eine Gruppe von männlichen Führungskräften jenseits der 50 und entsprechend konservativ jeden Mitarbeiter im Vergleich zueinander einschätzt. Oftmals sind die Frauen dabei nicht sichtbar genug, um gut beurteilt zu werden. Dies läuft darauf hinaus, dass der am besten abschneidet, der den geringsten gemeinsamen Nenner aufweist. Dies ist oftmals der Netzwerker, der ein gutes Verhältnis zu den männlichen Führungskräften unterhält.

3. Die Kundenbeziehungen

Banking wie die meisten heutigen Karrieren gleicht einem Gesellschaftsspiel. Sie klettern also die Karriereleiter entsprechend der Stärke ihres beruflichen Beziehungsgeflechts hinauf. Ohne solche Beziehungen fällt der Aufstieg überaus schwer. Wer nicht mit den Führungskräften zum Golf gehen kann, muss alle anderen in seiner Leistung übertreffen. Wer nicht zu den Kundenmeetings eingeladen wird, kann keine Beziehungen zu Kunden aufbauen. Ohne ein starkes Netzwerk kann eine Beförderung nur durch harte Arbeit und nicht durch Empfehlungen von ihren Freuden erreicht werden. Um dies zu ändern, benötigen Frauen ihre eigene Version des „Boy’s club“. Doch es gibt einfach nicht genügend einflussreiche Frauen für ein weibliches Netzwerk, welches es mit dem Einfluss und der Reichweite des „Boy’s club“ aufnehmen könnte. Dies ist auch der Grund, weshalb all die von den Unternehmen initiierten Frauengruppen keinen wirklichen Wandel herbeiführen.

4. Senior Management

Im meinem alten Job habe ich über 100 Gespräche mit Kolleginnen geführt, viele davon waren bereits auf dem Sprung, was unternommen werden könne, um sie an das Unternehmen zu binden. Die Antworten fielen ganz ähnlich aus: transparentere Bezahlung, Klarheit bei der Karriereentwicklung und den Boni sowie Mentoring seitens der Führungskräfte. Als ich die Ergebnisse dem Senior Management präsentierte, wurde kritisiert, dass nichts davon stimme und die Frauen wegen ihrer Kinder gingen. Ich denke, die Situation ist bei anderen Unternehmen ganz ähnlich. Die männlichen Führungskräfte halten sich lieber an ihre Meinung als die Frauen tatsächlich nach ihren Motivationen zu fragen.

Dabei gibt es bereits Lösungen, die oft in Gestalt neuer Technologien daherkommen. So erlaubt die Plattform „Howamigoing“ Angestellten Feedback in Realtime auszutauschen und das Feedback auf transparente und objektive Weise zu sammeln. Auf diese Weise wird der Schönheitswettbewerb zu Jahresende vermieden, der nach Popularität entschieden wird. „Mavenli“ wiederum stellt ein offenes, flexibles und effizientes System dar, ihr eigenes Netzwerk aufzubauen und die richtigen Mentoren zu finden, ohne unvorbereitete Einführungen oder verwirrende Einladungen zu Drinks oder Abendessen. Ich hoffe, dass mehr und mehr Unternehmen diese neuen Technologien nutzen, um ihren Mitarbeitern zu helfen, das ihnen Mögliche zu erreichen, ein faires und zeitnahes Feedback zu erreichen und nach Rat und Unterstützung zu bitten, um zur nächsten Generation von Führungskräften heranzuwachsen. Bis dahin werden die Frauen auch weiterhin mit den Füßen abstimmen.

Sacha Nitsetska hat früher als Associate in der Investment Banking Division bei JP Morgan gearbeitet. Sie ist Geschäftsführerin von mavenli.com, einer App, die Maschinenlernen, die Analyse großer Datenmengen und Spiellösungen anbietet, um Mitarbeiter und Mentoren zusammenzubringen.

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