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GASTBEITRAG: Die sonderbaren Dinge, die man in den Schubladen von Investmentbankern findet

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Wer in einer Bank arbeitet, glaubt womöglich seine Kollegen gut zu kennen. Schließlich verbringen Sie täglich zehn und mehr Stunden mit ihnen. Doch damit liegen Sie falsch. Man findet es erst heraus, wenn man die rare Gelegenheit hat, einen Blick in die Schubladen ihrer Schreibtische zu werfen.

Ich konnte einen Blick in so manche Schublade werfen. Ich bin aber kein Spinner. Vielmehr bin ich ein freundlicher Kollege, der Kollegen dabei hilft, ihren Kram in Kartons zu packen, wenn diese vor die Tür gesetzt werden. Und im Banking werden viele Leute vor die Tür gesetzt und viele davon, ohne ihren Schreibtisch ausräumen zu dürfen. Selbst falls ihnen das erlaubt wird, machen es die Betroffenen ungern vor den Augen der ehemaligen Kollegen. Als freundlicher Mitmensch übernehme ich das dann für sie.

Für jemanden, der in Finance arbeitet, stellen die Schubladen einen wichtigen Teil seines (Privat)-Lebens dar. Schließlich verbringen Sie sehr viel Zeit an Ihrem Arbeitsplatz mit dem Verfolgen der Märkte oder dem Verfassen von Kundenpräsentationen und so stopfen Sie alles Erdenkliche in die Schubladen: Süßigkeiten, Kleingeld, Protein-Shakes, Schmerzmittel und was Sie sonst noch brauchen, um über die Runden zu kommen.

In meinen zwölf Jahren habe ich eine Menge Kartons gepackt und dabei einige unerwartete Dinge gesehen. Einige sind lustig, andere weniger. Immer habe ich Handschuhe getragen – nur zur Vorsicht.

Dabei lernen Sie viel. Ein Kollege verhielt sich bei der Arbeit höchst ernst und professionell, doch seine Schubladen zeugten von einer völlig anderen Persönlichkeit. So fand sich darin eine Brille samt falschem Schnauzbart, eine große Pappnase und falsche Augenbrauen. Auch besaß er einen großen Umschlag mit einer Unmenge an Fotos von Themenpartys, bei denen er diese Utensilien trug. Die Kollegen haben davon Wind bekommen und sich wochenlang vor Lachen kaum halten können.

In einer anderen Schublade fand ich die Rechnung für einen Ferrari von 2006. Wieso bewahrt jemand so etwas auf?

In der Schublade eines übergewichtigen Kollegen fand ich eine große Reserve von gesunden Snacks, die ihm offenbar seine Frau mitgegeben hatte. Sie waren unberührt und seit Monaten abgelaufen. Ich habe sie allesamt in seinen Karton verfrachtet.

Doch es gibt auch eine dunkle Seite des Schreibtischausräumens. So habe ich Massen an Medikamenten gefunden – darunter viele Antidepressiva. Dies spricht für jemanden, der unter hohem Druck steht – sei es bei der Arbeit oder zuhause. Dann fragen Sie sich, was erst passiert, nachdem die Bank den Stecker gezogen hat.

Manche Leute hinterlassen höchst sonderbare Dinge in ihren Schubladen. Ein Managing Director ließ z.B. 60.000 Euro in seiner Schublade zurück, die er zurückgegeben hatte. Leicht vergisst man auch, was man dort untergebracht hat. Ein Kollege suchte beispielsweise in seinen Schubladen nach ein wenig Kleingeld für eine Spendenaktion. Dabei fiel ihm eine Uhr in die Hände, die locker einige tausend Euro wert war und die er vor einigen Jahren dort vergessen hatte. Einmal hat mich mein Managing Director gebeten, seine Haustürschlüssel aus seiner Schublade zu fischen. Als ich sie öffnete, fand ich eine Auflistung mit den Vergütungen sämtlicher Teammitglieder vor. Demnach gehörte ich zu den bestverdienenden Mitgliedern, weshalb ich sie rasch zurückgelegt habe.

Weiter findet sich häufig Mäusekot. Denn all die ungegessenen Snacks sind bei der Büro-Fauna sehr beliebt, die in der Nacht ihre Verstecke verlässt und sich auf alles Essbare stürzt. Die meisten Leute wissen das nicht oder scheren sich nicht darum. Sie scheinen zu beschäftigt zu sein, ihre Antidepressiva einzuschmeißen oder sich an der Rechnung für ihren Ferrari zu ergötzen.

Graham Gardner ist ein Pseudonym. Er arbeitet bei einer Investmentbank.


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