In unserer Umfrage zu den beliebtesten Arbeitgebern 2018 mit mehr als 6000 Teilnehmern weltweit hat Goldman Sachs global und in den deutschsprachigen Ländern den ersten Platz erreicht. Aus diesem Anlass haben wir mit John Waldron gesprochen, dem Co-Chef der Investment Banking Division von Goldman Sachs. Der Vater von sechs Kindern arbeitet seit der Jahrtausendwende für die US-Investmentbank. 2001 wurde Waldron erst zum Managing Director und 2002 zum Partner befördert.
Wie hat sich die Arbeit in M&A im Verlauf Ihrer Karriere gewandelt?
Der M&A-Markt hat sich stark verändert. Grundsätzlich ist er viel globaler geworden. Die Konsolidierung verschiedener Player hat dazu geführt, dass die Branche viel grenzüberschreitender geworden ist; was M&A-Aktivitäten mit Unternehmen bedeutet, die nicht in den Vereinigten Staaten angesiedelt sind. Banker, die in der M&A-Beratung arbeiten, müssen die ganze Welt verstehen, die Herausforderungen, Probleme, Weltpolitik, Kultur und die regulatorischen Strukturen. Es ist heute also viel komplizierter. Als ich angefangen habe, wurde das Geschäft von den USA dominiert.
Heute herrscht mehr Aktivismus und generell sind die Aktionäre aktiver. Wenn Sie also darüber nachdenken Unternehmen zu beraten, dann müssen Sie lange und gründlich darüber nachdenken, wie die Aktionäre darauf reagieren, was die Angelegenheit komplexer macht. Andererseits gibt es auch mehr passive Investoren, die sich an die Indizes halten z.B. mit ETFs, weshalb die Dynamiken unterschiedlich und komplexer ausfallen.
Wie unterscheiden sich die Erwartungen junger Leute ans Banking von denen Ihrer Generation?
Die meisten jungen Leute erwarten heute schneller voranzukommen und an relevanteren Dingen mitzuarbeiten, um so mehr Wert aus ihren Erfahrungen herauszuholen. Als ich anfing, habe ich gemacht, was von mir verlangt wurde, und ich ging einfach davon aus, dass etwas dabei herauskommen würde. Ich habe nicht viele Fragen gestellt. Ich ging nicht davon aus, dass jede kleine Tätigkeit, die ich verrichtete, bedeutsam sein müsse. Ich vertraute darauf, dass mich das schon zum Erfolg führen würde.
Heute verlangen die jungen Leute, an Dingen zu arbeiten, die ihren Weg in ein bedeutendes Meeting oder Kundengespräch finden. Sie wollen nicht an etwas arbeiten, was als Ausschuss endet. Schon im frühen Stadium ihrer Karriere wollen sie etwas bewirken.
Sie zeigen mehr intellektuelle Neugier als wir damals, um ehrlich zu sein. Ich kann zwar nicht für die IT sprechen, aber die jungen Leute, die wir einstellen und mit denen ich zu tun habe, sind intellektuell sehr neugierig, stellen eine Menge Fragen und wollen Antworten haben. Sie interessieren sich für viele Dinge und haben einen breiteren Horizont. Der war bei mir enger. Ich habe mich nur auf das fokussiert, womit ich mich gerade beschäftigte und nicht mit dem Kontext, wie es später genutzt wird.
Das ist eine gute Sache. Das ist schon eine beeindruckendere Gruppe als wir es zu meiner Zeit waren.
Wie erholen Sie sich?
Ich habe sechs Kinder. Daher verbringe ich die meiste Zeit, die ich nicht bei Goldman Sachs, mit Kunden oder anderen Aspekten meines Jobs wie Philanthropie beschäftigt bin, mit meinen Kindern. Meine Erholung besteht darin, mich mit meinen Kindern zu beschäftigen. Mit meinen älteren Kindern sind das Sport oder kulturelle Aktivitäten; mit meinen jüngeren Kindern gehe ich mit einem Ball in den Park oder spiele mit ihnen. Neben meiner Familie bleibt mir nicht viel Zeit für anderes. Allerdings fahre ich gerne Ski, spiele Golf oder betreibe Outdoor-Aktivitäten.
Wie lange dauert es üblicherweise, um es bei Goldman Sachs zum Vice President zu schaffen? Was zeichnet Leute aus, die rasch befördert werden?
In der Investment Banking Division dauert es normalerweise sechs bis sieben Jahre bis zum Vice President, wenn Sie mit einem Bachelor anfangen. Wer nach einer Business School als Associate beginnt, braucht eher drei oder vier Jahre.
Die Beherrschung der analytischen Instrumente ist von grundlegender Bedeutung: die einfache Fähigkeit, die Analysen zu verstehen, sie aufzustellen und sie zu herüberzubringen. Das ist von fundamentaler Bedeutung. Wer es zum Vice President bringen möchte, muss Erfahrung in der Projektleitung, in der Arbeit an Transaktionen, mit Kundenmeetings und der Erläuterung von Lösungen oder Urteilen sammeln.
Er muss starke analytische und zwischenmenschliche Kompetenzen mitbringen. Er muss in der Lage sein, mit Kunden auf hohem Niveau zusammenzuarbeiten. Die meisten Leute verfügen nur über das eine oder andere. Bevor sie vorankommen, müssen Sie an ihrer jeweils schwächeren Seite arbeiten.
Wer bei beidem schon früh in der Karriere ein hohes Niveau erreicht hat, der wird möglicherweise rascher befördert. Denn Sie müssen analytische Einsichten auf eine Weise kommunizieren, dass Kunden sie gut absorbieren können und dass sie gerne mit Ihnen zusammenarbeiten.
Haben die Versuche von Goldman Sachs zur Beschränkung der Arbeitszeiten von jüngeren Mitarbeitern etwas bewirkt?
Vor zwei Jahren haben wir den geschützten Samstag eingeführt. Demnach ist der Samstag frei, solange keine Extremsituation vorliegt. Das hat einen beträchtlichen positiven Effekt gehabt, weil so teilweise die Arbeitszeiten verringert wurden. Doch noch wichtiger war die Änderung des Verhaltens. Es hat die Führungskräfte dazu gezwungen, organisierter und überlegter vorzugehen, was die Arbeit in der Folgewoche betrifft. Wenn am folgenden Dienstag ein Abgabedatum anstand, dann wurde ohne diese Regelung die Zeit der jungen Mitarbeiter nicht fokussiert eingesetzt. Am Freitag hätte die Führungskraft gesagt, was er oder sie haben wollte. Dann haben die jungen Mitarbeiter das gesamte Wochenende gearbeitet und die Führungskraft hätte am Montag darüber geschaut, um für das Meeting am Dienstag gerüstet zu sein. Die neue Regelung zwingt die Führungskräfte dazu, früher in der Woche darüber nachzudenken, was Folgeeffekte für das gesamte Verhalten hat und das ist gut so.
Außerdem haben wir eine Menge von IT-Tools entwickelt, um einen effizienteren Workflow zu erreichen. Wir haben manuelle Prozesse automatisiert und versuchen, dass junge Mitarbeiter mehr Zeit mit bedeutsamen Dingen verbringen, die für den Kunden einen Mehrwert erzeugen. Das ist ein wichtiges Stück Arbeit, an dem wir noch dran sind.
Drittens bieten wir mehr Mobilität, was einen der wichtigen Vorteile unseres Unternehmens darstellt. Wir sind breit aufgestellt, besitzen eine Menge Produkte, sind in vielen Ländern vor Ort und haben mit einer enormen Zahl an Unternehmen zu tun. Was würden Sie gerne machen, wenn Sie länger bei Goldman Sachs bleiben? Die Leute werden ruhelos und wollen neue Dinge machen. Daher wollen wir den Leuten die Möglichkeiten geben, herumzukommen, ihre Fähigkeiten einzubringen und verschiedene Dinge zu machen. Wir wollen ihnen die Möglichkeit geben, Chancen innerhalb der Bank zu ergreifen, bevor sie anderswo hingehen.
Wie wird die Automatisierung in der Investment Banking Division die Arbeit in M&A verändern?
Ich denke, es wird keine gravierenden Auswirkungen auf die Beschäftigungszahlen geben. Ich denke ebenfalls nicht, dass es ein Arbeitsplatzvernichter sein wird. Die Automatisierung wird uns erlauben besser zu beraten und mehr Zeit mit wertschöpfenden Komponenten zu verbringen. Für Kunden, die einen Vergleich von Aktienentwicklungen haben wollen, stellt eine Exceltabelle etwas Wertschöpfendes dar. Doch die meisten Leute ziehen so etwas heute aus ihrem iPhone. Vor einigen Jahren hat eine solche Analyse zehn bis zwanzig Arbeitsstunden verlangt, heute brauchen sie dazu weniger als eine Stunde.
Was bedeutet das? Der Job eines Investmentbankers erschöpft sich nicht in der Produktion von Exceltabellen. Indem so etwas automatisiert wird, können die Leute mehr Zeit für die Strategie und höherwertigere Tätigkeiten aufwenden.