Bewerbungen in der Schweiz und im angelsächsischen Raum weisen empfindliche Unterschiede aus. Weniger bekannt ist indes, dass es auch feine Unterschiede zwischen Schweizer und deutschen Gepflogenheiten gibt. So kann ein „Swiss Finish“ die Erfolgschancen einer Bewerbung durchaus steigern. Wir haben bei Personalexperten in der Schweiz nachgefragt, wie sie sich eine optimale Bewerbung vorstellen.
1. Bescheidenheit ist Trumpf
Lebensläufe und Anschreiben sind Instrumente des Selbstvermarktung. Besonders bei angelsächsischen Bewerbern beobachtet Headhunterin Karin Signer von Signer Beratungen in Zürich, dass Kandidaten oft vollmundig ihre Leistungen anpreisen. „Das kommt bei vielen Empfängern nicht gut an; das hat mit der Schweizer Bescheidenheit zu tun“, erläutert Signer. „Bescheidenheit und Transparenz – damit kommt man in der Schweiz weiter.“
Signer rät bei den Angaben zu den Sprachkenntnissen ebenfalls bescheiden und sachlich aufzutreten. „Gelegentlich gibt jemand im CV ‚sehr gute Englischkenntnisse‘ an und wenn man nachfragt, dann stellt sich heraus, dass dies nicht stimmt.“
Auch bei akademischen Titeln sei Bescheidenheit in der Schweiz Trumpf. Signer rät namentlich auch deutschen Bewerbern mit einer Promotion nicht allzu sehr hausieren zu gehen. Generell spielten Titel in der Schweiz eine geringere Rolle.
2. Schweizer wollen vollständige Bewerbungsunterlagen
Die angelsächsische Kurzbewerbung besteht zumeist nur E-Mail samt Lebenslauf. Dies genügt Schweizern nicht. „Die persönlichen Angaben müssen vollständig sein. Dazu gehören auch Geburtsdatum und Zivilstand“, erzählt Headhunter Emanuel Kessler von kessler.vogler in Zürich.
„Das Unternehmen will die vollständigen Bewerbungsunterlagen haben“, ergänzt ein Headhunter in Zürich, der viele Jahre in Irland und der Schweiz in der Personalvermittlung gearbeitet hat und daher die Besonderheiten beider Bewerbungskulturen kennt. Zu einer vollständigen Bewerbung zählten Anschreiben, Lebenslauf, Foto, Arbeitszeugnisse und Abschlüsse.
3. Anschreiben erwünscht
Zwar sei ein Anschreiben in der Schweiz nicht bei sämtlichen Arbeitgeber Pflicht, dennoch rät der Headhunter generell dazu: „Ein Anschreiben gibt einem Bewerber die Gelegenheit, direkt zu einem Recruiter zu sprechen.“ Darin sollte ein Kandidat kurz und knapp ausführen,
wieso er der passende Kandidat für die Stelle sei,
weshalb er sich gerade bei diesem Unternehmen und für eben diese Stelle bewirbt
und wieso er den Job wechseln möchte bzw. wieso er arbeitslos ist.
Kessler rät im Anschreiben vor allem Zusatzinformationen aufzunehmen und nicht die Angaben aus dem Lebenslauf zu wiederholen.
4. Die Form muss bei einer Schweizer Bewerbung stimmen
In der Vergangenheit waren im deutschsprachigen Raum immer noch Lebensläufe verbreitet, die schön chronologisch mit der Schulzeit begannen und dann über die Ausbildung zur Berufserfahrung fortschritten. Doch das ist beiderseits des Bodensees passé. Laut Signer wollen Schweizer Headhunter und Arbeitgeber mittlerweile nur noch achronologische Lebensläufe lesen. Diese beginnen mit der aktuellen Beschäftigung und gehen dann zeitlich sukzessive bis zur Ausbildung zurück.
Auch bei der Länge gibt es ganz klare Vorgaben. „Ein Lebenslauf darf nicht mehr als drei Seiten und nicht weniger als zwei Seiten umfassen“, betont der ausländische Headhunter. „Ausbildung, Hobbies und Sprachen sollten zusammen weniger als eine halbe Seite ausmachen.“
Da Headhunter oder Hiring Manager allenfalls wenige Minuten Zeit für die Erstsichtung eines Lebenslaufs hätten, müssten die einzelnen Stationen leicht durch Absätze voneinander unterscheidbar sein und keine zu kleine Schriftgröße gewählt werden. Auf diese Weise fällt es einem Recruiter leichter, den Lebenslauf zu scannen.
Obgleich es selbstverständlich klingt, müssen Bewerber auf eine einheitliche Form und die Rechtschreibung achten. „Ich habe schon Lebensläufe von Führungskräften gesehen, bei denen die erste Seite 11 Punkt Arial und die zweite 9 Punkt Times war“, erzählt der Headhunter.
Damit die Formatierungen auch wie erwünscht beim Adressaten ankommt, sollte die Bewerbung im PDF-Format verschickt werden. Vor Extravaganzen rät der Headhunter ebenfalls ab. „Ich habe schon Lebensläufe von Accountants als Excel-Tabelle erhalten.“
5. Anschreiben und Lebenslauf sollten das Anforderungsprofil widerspiegeln
„Man sieht relativ schnell, ob es sich um ein Standardanschreiben handelt“, betont Kessler und rät dringend davon ab, ein und dasselbe Bewerbungsschreiben immer wieder zu versenden. Vielmehr sollte das Anschreiben individuell auf die Stelle zugeschnitten sein und als „Appetiser“ dienen. Ebenfalls müsse die relevante Berufserfahrung und Ausbildungen im CV herausgearbeitet werden. „Ein Lebenslauf sollte immer die Stellenbeschreibung widerspiegeln“, rät der irische Headhunter in Zürich.
6. Lücken sind eine Todsünde
Kessler warnt vor Lücken im Lebenslauf: „Das lässt immer Raum für Spekulationen.“ Jede Lücke müsse erläutert werden, meint der irische Headhunter Nicht erläutert werden müssten lediglich kurze Lücken von drei bis vier Monaten bis maximal einem halben Jahr.
7. Fotos sind in der Schweiz immer noch beliebt
Bewerbungsfotos sind in angelsächsischen Ländern aber auch in Frankreich geradezu tabu. Ähnlich wie in Deutschland enthalten in der Schweiz die meisten Bewerbungen immer noch das Konterfei des Kandidaten. „95 Prozent der eingehenden Bewerbungen haben ein Foto“, schätzt etwa Signer. Auch die HR-Abteilungen wollen sich über ein Foto einen ersten Eindruck verschaffen. „Ob das Foto dann immer auch den Realitäten entspricht, ist eine andere Frage“, ergänzt Signer.
„Ein Foto kann Appetit machen: Macht der Kandidat einen ordentlichen Eindruck, hat er einen schönen Anzug an und ein schönes Lächeln?“, sagt Signer. Es gebe aber Ausnahmen, falls ein Bewerber nicht fotogen sei. Von allzu lässigen Fotos rät Signer ebenfalls ab. „Lieber kein Foto als ein schlechtes Foto“, warnt Signer.
„Manchmal nimmt das Foto die ganze erste Seite ein“, beobachtet der irische Headhunter. Laut dem Experten gehöre das Foto rechts oben auf die erste Seite.
8. Eine Schweizer Bewerbung muss in der Sprache der Stellenanzeige verfasst sein
„Wir schreiben Stelleninserate nur auf Deutsch oder Englisch aus, dennoch erhalten wir gelegentlich Lebensläufe auf Italienisch oder Spanisch“, erzählt Kessler. Generell sollte die Bewerbung in der gleichen Sprache wie die Stellenanzeige verfasst sein, solange nicht etwas anderes verlangt wird.
9. Ansprechpartner und Adresse müssen stimmen
Manche ausländische Bewerbung beginne mit „Dear Sir or Madam“. Signer empfiehlt stattdessen, den konkreten Adressaten ausfindig zu machen und die Bewerbung an ihn persönlich zu richten. Auch bei der Adresse sollten Kandidaten auf die landesüblichen Gepflogenheiten achten. So würden in der Schweiz nicht die Ortsteile in der Adresse verwendet. Es heiße also nicht „8000 Zürich-Wiedikon“ sondern nur „8000 Zürich“. Doch an derartigen Kleinigkeiten würde in der Schweiz gewiss keine Bewerbung scheitern, meint Signer.
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