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GASTBEITRAG: Der erbarmungslose interne Wettbewerb bei der Deutschen Bank

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Wann immer irgendetwas in einem Unternehmen schiefläuft, zeigen rasch sämtliche Finger auf die Unternehmenskultur.

Da stellt die Deutsche Bank keine Ausnahme dar. Trotz des kürzlichen Anstiegs des Aktienkurses, der auf eine der wenigen positiven Unternehmensnachrichten folgte, steht außer Zweifel, dass bei meinem alten Arbeitgeber vieles falsch gelaufen ist.

Da bei ist es gar nicht so einfach, eine bestimmte Unternehmenskultur bei der Deutschen Bank zu benennen. Denn trotz des jüngsten Personalaufbaus handelt es sich immer noch um ein gewaltiges Unternehmen: Rund um den Globus zählt es mehr als 90.000 Mitarbeiter. Die Zwänge und der Druck im deutschen Filialgeschäft unterscheiden sich beträchtlich vom Londoner Investmentbanking.

Nach Jahren beim US-Institut Bankers Trust bin ich 1999 zur Deutschen Bank gestoßen. Diese hatte soeben Bankers Trust übernommen. Bei diesem ersten Kontakt „fühlte“ sich die Investmentbank der Deutschen Bank gar nicht so verschieben von dem an, was ich gewohnt war.

Dort herrschte derselbe Mix an Nationalitäten, die in sämtlichen Akzenten fließend oder gebrochen Englisch sprachen. Es herrschte dieselbe Dringlichkeit bei den Deals und der gleiche Überhang männlicher Mitarbeiter.

Tatsächlich fielen die Unterschiede gering aus. Nur bei Bankers Trust waren die Mitarbeiter besonders schlampig gekleidet. Der damalige Bankchef Charlie Sanford besaß keinerlei Sinn für irgendwelchen Firlefanz, der die Geschäftszahlen nicht voranbrachte. Dagegen wurde das Investment Banking der Deutschen Bank vom immer makellos gekleideten Edson Mitchell geleitet.

Der erste bedeutende Unterschied, der mir begegnete, war die Größe. In den ersten Monaten bei der Deutschen Bank dachten sich ein Ex-Kollege von Bankers Trust und ich eine Hedging-Idee aus, die eurobasiert war. Diese teilten wir dem riesigen europäischen Firmenkundenvertriebsteam mit und warteten anschließend auf die Resultate. Wochenlang hörten wir nichts davon.

Doch plötzlich trudelten die Deals ein. Erst waren es nur wenige, dann dutzende und endlich summierten sie sich auf einen Nominalwert von Milliarden Euro. Schließlich mussten wir den Hahn zudrehen, um nicht überflutet zu werden.

Dies dokumentiert, wie das deutsche Firmenkundengeschäft funktionierte. Erst ging es langsam los, bis sich ein gewaltiges unaufhaltsames Momentum entwickelte. Die deutsche Langsamkeit brachte jedoch einige Nachteile mit sich. Sie führte zu ständigen Reibungen. Geschäfte mit dem Retail oder Private Banking des Konzerns zu machen, glich dem Waten durch klebrigen Morast. Die Gremien, denen wir Investmentbanker unsere Vorschläge unterbreiten mussten, war zwar höflich, aber es dauerte ewig, bis endlich Entscheidungen fielen.

Besonders bemerkenswert waren die Gräben, die sich im Investment Banking der Deutschen Bank auftaten. Hinzu kam das ständige Hickhack zwischen Sales und Trading. Bei der Deutschen Bank fiel dies besonders heftig aus.

Die Investmentbank entstand ab 1995 unter großem Zeitdruck. Ihre zahllosen Abteilungen mussten von nahezu Null aufgebaut werden. Dies mag auch ein Grund dafür gewesen sein, wieso die Kultur überall anders ausfiel.

Vielleicht war es aber auch eine Folge des Nationalitätenmix des jeweiligen Teams. Der Devisenhandel, in dem ich tätig war, wurde beispielsweise von Australiern, Kiwis, Südafrikanern und Briten bevölkert.

Doch außerhalb des Devisenhandels sah dies anders aus. Das Geschäft mit Aktien und besonders Aktienderivaten glich Kleinfrankreich. Der Zinshandel hatte einen leichten italienischen Einschlag. Das Geschäft mit Schwellenländern stellte eine Domäne der Russen und Türken dar usf.

Jedes Team entwickelte seine ganz eigenen Herangehensweisen. Das Devisengeschäft konzentrierte sich stark auf die Handels-IT, das Geschäft mit Schwellenländern auf das Risikomanagement und das Zinsgeschäft auf strukturierte Produkte.

Wenn die Abteilungen freundschaftlich zusammengearbeitet hätten, wäre das kein Problem gewesen. Doch davon waren wir weit entfernt. Jedes „Produkt-Silo“ entwickelte seine eigenen Systeme. Alle konkurrierten um die Vertriebsunterstützung, die theoretisch nicht entlang der Produkte organisiert war. Zu dem jeweils eigenen Silo herrschte eine geradezu stammesmäßige Loyalität.

Und wenn es darum ging, wer sich um welches Produkt kümmerte, geriet dies immer in den Strudel der internen Konkurrenz. Wer sollte beispielsweise die Devisenderivate verkaufen, Rates oder FX? Wer war für Hypotheken zuständig?

Die Vertriebsdiskussionen fielen sogar noch heftiger aus.

Zwar gab es Versuche, diesen Wettbewerb einzudämmen, allerdings kam dieser Anstoß eher vom erschöpften Geschäft selbst als von oben. Um die Einflusssphären abzustecken, wurde beispielsweise ein hochbürokratisches Abkommen getroffen und von den Chefs des Rates- und FX-Geschäfts förmlich unterschrieben als wenn es sich um so etwas wie das SALT II-Abkommen gehandelt hätte.

Die Deutsche Bank hatte sich auch nicht grundlos den Ruf erworben, ein besonders „politischer“ Arbeitsort zu sein. Solange der Rubel rollte, sollte dies kein Problem darstellen. Doch Jahre später stellten sich zwei Fragen…

Erstens: Herrscht auch heute noch die gleiche Kultur? Seit vier Jahren arbeite ich nicht mehr für die Deutsche Bank, aber ehemalige Kollegen erzählen mir die immer gleichen alten Geschichten.

Zweitens: Spielt das überhaupt eine Rolle? Meiner Meinung nach ja. Meines Erachtens kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Kultur der Fragmentierung und des internen Wettbewerbs zu den jüngsten Turublenzen der Deutschen Bank beigetragen hat.

Denn so lange es doppelte und sich überschneidende Computersysteme gibt, bleiben die Kosten zu hoch. Nicht zufällig hat die ehemalige IT-Chefin kritisiert, dass die Bank die funktionsuntüchtigste IT-Landschaft aller Unternehmen habe, für die sie je gearbeitet hat.

Wenn jede Abteilung ihr Gebiet wie eine Mafiafamilie verteidigt, dann drohen die Kundenanrufe rasch in ein Geschrei abzugleiten.

Trotz einiger Abgänge der jüngsten Zeit beschäftigt die Deutsche Bank noch immer eine hohe Zahl hochtalentierter Mitarbeiter. Dennoch steht der Bank noch ein langer und schmerzhafter Weg bevor. Der Weg würde aber deutlich leichter fallen, wenn die talentierten Mitarbeiter endlich lernen würden wie ein Team zusammenzuarbeiten und nicht wie Rivalen. Dies stellt die wirkliche Herausforderung dar, mit der der neue Konzernchef Christian Sewing und seine Vorstandskollegen konfrontiert sind.

Noch habe ich Hoffnung.

Kevin Rodgers hat seine Karriere 1990 bei Merrill Lynch in London begonnen, bevor er zu Bankers Trust wechselte. Anschließend arbeitete er 15 Jahre lang als Managing Director für die Deutsche Bank, wobei er zuletzt den weltweiten Devisenhandel leitete.


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