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GASTBEITRAG: Mein unterwürfiges Leben als Hedgefonds-Analyst

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Ich arbeite als Analyst bei einem Hedgefonds, wobei ich so etwas wie der Knecht meines Portfoliomanagers bin.

Dabei bin ich nicht allein. Nachdem ich bei einer Bank beschäftigt war, habe ich viele Jahre bei einem Hedgefonds gearbeitet. Hier musste ich feststellen, dass Geduld nicht zu den Tugenden der Branche zählt. Jeder will, dass alles sofort erledigt wird. Besonders trifft dies auf Portfoliomanager zu.

OK, es macht sogar Spaß für einige Portfoliomanager zu arbeiten. Doch beim Rest sieht das ganz anders aus. Alle wollen, dass alles sofort erledigt wird. Der einzige Unterschied zwischen ihnen: Einige sind etwas verständnisvoll, andere nicht. Doch die schlimmsten schicken Sie auf die Suche nach einer banalen Information, selbst wenn diese überhaupt nicht existiert.

Die Standardaufgabe für untergeordnete Analysten lautet herauszufinden, wieso die Aktie XYZ nachgegeben hat. Dabei spreche ich nicht von einer negativen Performance von 5 Prozent, während der übrige Markt ansteigt. So etwas stellt tatsächlich eine wichtige Frage dar und niemand muss mir auftragen dem nachzugehen. Nein, ich spreche von den Fällen, wenn ein schlecht gelaunter Portfoliomanager von mir herauszufinden verlangt, wieso eine Aktie 1,5 Prozent nachgegeben hat, während der übrige Markt nur 1 Prozent schwächer notierte.

Wer schon einmal auf der Buy-Sie gearbeitet und so etwas wahrscheinlich schon einmal miterlebt hat weiß, wie dumm eine solche Frage ist. Denn es gibt eine Million Gründe, wieso eine Aktie etwas schwächer als der Markt notiert. Leider können Sie Ihrem Portfoliomanager kaum sagen, dass er dumm ist. Jedenfalls nicht sofort. Stattdessen verschwenden Sie Ihre Zeit damit, die Antwort zu finden. Und zwar für eine Antwort, von der Sie wissen, dass es sie gar nicht gibt.

Der erste Schritt dabei ist zu prüfen, ob es irgendeine wichtige Nachricht gibt, wieso eine Aktie 50 Basispunkte oder mehr schwächer als der Markt performt. Falls sich keine Nachricht finden lässt, müssen Sie schauen, ob am Morgen irgendeine Analyse einer Bank herausgekommen ist, die dafür verantwortlich sein könnte. Die Analyse kann nicht allzu schlecht ausgefallen sein, wenn die Aktie nur 50 Basispunkte schwächer als der Markt abschneidet. Ist irgendeine also leicht negativ ausgefallen? Wenn auch das nichts ergibt, gilt es beim Trader nachzufragen oder einen Analysten der Sell-Side anzurufen, ob sie irgendetwas gehört haben. Anschließend müssen Sie alles von Unternehmen lesen, die mit dem gesuchten in irgendeiner Weise verbunden sind.

Nachdem Sie schließlich 30 Minuten Ihres Lebens damit vergeudet haben, in denen Sie irgendetwas anderes Produktives hätten erledigen können, dann können Sie schließlich Ihrem Portfoliomanager sagen, dass es sich um eine dumme Frage handelt. Am besten tun Sie dies, indem Sie ihm oder ihr mitteilen, dass es mehr Verkäufer als Käufer auf dem Markt gegeben habe.

Tatsächlich ist diese Antwort zu 100 Prozent korrekt. Schließlich kann nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage eine Aktie nicht nachgeben, wenn es mehr Käufer als Verkäufer gibt. Hoffentlich schließt Ihr Portfoliomanager aus der Lächerlichkeit der Antwort auf die Lächerlichkeit der Frage. Falls nicht, dann ist womöglich die Zeit für Sie gekommen, sich einen anderen Portfoliomanager zu suchen oder Sie warten einfach, bis Ihnen am nächsten Tag die gleiche Frage noch einmal gestellt wird.


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