Unser Gastautor arbeitet seit vielen Jahren bei einem führenden Unternehmen in der deutschen Consulting-Branche. Hier hat er seine Erfahrungen aufgeschrieben:
An der Beratung gefällt mir natürlich die ständige Serie neuer Aufgaben, die internationalen Einsätze oder auch die tollen Kollegen. Insbesondere internationale Einsätze und Kollegen sind toll.
Die Bezahlung ist auch gut, wenn auch bei weitem nicht so gut, wie man das oft liest. Das große Geld wird in der Beratung erst nach vielen Jahren, oft einem Jahrzehnt oder mehr auf den höheren Leveln verdient.
Doch es gibt auch Dinge, die mir weniger gefallen. So wird die Beratung auf den höheren Karrierestufen sehr politisch. Die Arbeit kann noch so gut sein, wenn man keinen Mentor – am besten auf Partner-Level – hat, wird es ab dem Level des Senior Consultants bzw. Associate nahezu unmöglich weiter aufzusteigen.
Ebenfalls fragwürdig sind die Bewertungen, welche von den Partnern abgenickt werden müssen. Diese Partner haben nie das Projekt persönlich besucht, entsprechend handelt es sich bei ihrer Bewertung mehr um ihre persönliche Meinung als um eine objektive Einschätzung. In den seltensten Fällen spiegelt ihre Bewertung die geleistete Arbeit wieder – positiv wie negativ. Dies führt dazu, dass politisch geschickte Kollegen viel schneller aufsteigen, obwohl sie häufig nur eine Belastung für die Teams darstellen: Viele Telefonate, viele Emails, wenig Führung, wenige Ideen und noch weniger Ergebnisse.
Besonders negativ fällt mir auch die Diskrepanz zwischen dem, was propagiert wird, und der Realität auf. Konkret:
1. „Die Work-Life-Balance”
Sie wird als Mantra in vielen Beratungen gepredigt. Ich habe jedoch noch nie die Beförderung eines Teilzeit-Mitarbeiters gesehen. Mütter, die später wieder Vollzeit einsteigen, bilden hier eine sehr kleine Ausnahme.
2. „Die Entwicklung neuer Ideen wird gefördert”
Dieses Postulat verwandelt sich in der Beratung meist zu: „Wenn du nach 12-Stunden-Tagen noch abends Energie hineinsteckst, die Zeiten nicht aufschreibst und wir damit schnell und ohne irgendwelche Risiken Geld verdienen können, dann wird das vielleicht irgendwann einmal umgesetzt.”
3. „Wir fördern die Skills unserer Mitarbeiter”
Wenn es neue „heiße” Themen zu besetzen gibt, werden wahnsinnige Summen für Headhunter und Gehälter bezahlt, statt diese „Skillsets” intern zu suchen und zu fördern. Die Ironie hieran ist, dass die neu angestellten „ultra high Potentials” sich dann meist an die Leute wenden müssen, die intern für den Job geeignet gewesen wären, um etwas zu bewegen. Nicht verwunderlich, dass die neuen, gehypten Kollegen doch sehr häufig nach nicht einmal zwei Jahren das Unternehmen wieder verlassen. Dann beginnt natürlich wieder das zuvor beschriebene Vorgehen.
4. „Wir bilden unsere Mitarbeiter ständig weiter”
Dies führt zu: „Du musst x Kurse machen, aber nur aus dem Katalog XY und minimiere dabei die Reisekosten”.
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Foto: Stockbyte / Thinkstock