„Es ist heute praktisch undenkbar eine Karriere zu machen, wenn sie keine internationalen Kontakte haben“, warnt Matthias Catón, der bei der Frankfurt School of Finance & Management die Bachelor-Programme verantwortet. Ganz ähnlich sieht dies Headhunter Thomas von Ciriacy-Wantrup von Fricke Finance & Legal in Frankfurt. Auslandsaufenthalte seien immer häufiger „fester Bestandteil“ von Suchaufträgen. Dennoch gibt es feine Unterschiede. Einige Auslandsaufenthalte bringen mehr Pluspunkte als andere. Konkret:
1. Mit Auslandssemestern allein lassen sich immer weniger Punkte sammeln
Die Zahl deutscher Studenten im Ausland nimmt kontinuierlich zu. Während nach einer Studie des Hochschulinformationssystems (HIS) 1991 sich nur rund 20.000 Deutsche zum Studium ins Ausland wagten, verdreifachte sich deren Zahl bis 2011 auf 63.000. Mittlerweile würde bereits jeder Dritte einen Teil seines Studiums im Ausland verbringen. Der Grund liegt auf der Hand: 82 Prozent der vom HIS befragten Studenten der Wirtschaftswissenschaften gaben an, dass das Auslandsstudium „stark karrierefördernd“ sei.
Bei Privathochschulen bilden Auslandsaufenthalte bereits immer öfter integralen Teil des Curriculums. „Bei uns muss jeder Bachelorstudent für mindestens ein Semester ins Ausland gehen“, erzählt Catón. Dazu unterhält die Frankfurt School ein Netzwerk von 90 Hochschulen in 40 Ländern. „Am beliebtesten sind immer noch die angelsächsischen Länder wie USA, Australien und England. Aber an zweiter Stelle kommen schon die asiatischen Staaten – besonders China – sowie Lateinamerika.“ Neben dem Auslandssemester ist auch ein Praktikum in der Ferne Pflicht. Der wachsende Anteil von Absolventen mit Auslandserfahrung bedeutet jedoch auch, dass ein oder zwei Semester in der Ferne allein noch keinen Karriereturbo darstellt.
2. Karrierevorteil von Auslandsaufenthalten hängt von der Funktion ab
„Desto größer die Relevanz für die Tätigkeit ist, desto genauer schauen wir sie uns an“, erzählt von Ciriacy-Wantrup. Weiter würden Auslandsaufenthalte und Sprachkenntnisse auch von Arbeitgebern unterschiedlich geschätzt. Auslandsbanken würden hierauf größeren Wert als Sparkassen legen. Wer sich während des Studiums nicht ins Ausland gewagt hat, sollte sich eher bei Arbeitgebern bewerben, die ihren Geschäftsschwerpunkt in Deutschland haben, rät von Ciriacy-Wantrup.
3. Mit Englischkenntnisse punkten
Laut Catón dienen Auslandssemester und Praktikum u.a. der Verbesserung der Englischkenntnisse. An fast allen Partnerhochschulen würden Veranstaltungen in Englisch angeboten. Dass diese Veranstaltungen oftmals nicht von Muttersprachlern gehalten werden, ficht Catón nicht an: „Wir wollen ja keine Englischlehrer ausbilden. Im beruflichen Alltag sprechen unsere Absolventen meist mit anderen Nicht-Muttersprachlern Englisch.“
Auch für von Ciriacy-Wantrup stellen im Ausland erworbene Englischkenntnisse einen wichtigen Karrierevorteil dar. „Derartige Kandidaten bringen nicht nur ein wackliges Schulenglisch mit, sondern sie haben die Sprache in der Praxis gelernt.“
4. Extrapunkte mit der zweiten Fremdsprache sammeln
Doch auch weitere Fremdsprachen werden von Headhuntern und Arbeitgebern durchaus registriert. „Es wird immer positiv gesehen, wenn jemand eine dritte Fremdsprache spricht“, sagt von Ciriacy-Wantrup.
Laut Headhunterin Mirja Linke von Deininger Consulting in Frankfurt könnten sich Kandidaten mit einer zweiten Fremdsprache und etwas Glück einen Vorsprung vor den Mitbewerbern sichern. „Wenn ich jemanden mit guten Französischkenntnissen suche, dann wird es richtig schwierig“, berichtet Linke. Da sei das Angebot knapp.
5. Interkulturelle Erfahrungen sammeln
Ein weiterer Hauptgrund bestehe im Erwerb von Erfahrungen mit einer anderen Kultur, meint von Ciriacy-Wantrup. Wer beispielsweise in London gearbeitet habe, sei einen anderen Arbeitsrhythmus und eine andere Arbeitskultur gewohnt, was z.B. für einen Job bei einer US-Bank in Frankfurt einen wichtigen Pluspunkt darstelle. „Ein Auslandsaufenthalt verändert auch den Blick auf das eigene Land und die eigene Kultur“, ergänzt Catón. „Die Studenten kommen oft viel gereifter zurück.“
6. Extrapunkte sammeln mit beruflichen Stationen im Ausland
Während Auslandssemester oder Praktika fast schon Pflicht sind, stellen berufliche Stationen im Lebenslauf die Kür dar. Laut Linke gewinne ein Lebenslauf beträchtlich, wenn jemand tatsächlich einige Jahre im Ausland gearbeitet habe. Auch die Destination sei relevant. So zählten Aufenthalte in London, New York oder Asien – gerade für Banker – mehr als berufliche Stationen in der Schweiz oder Luxemburg, da dort die Sprachbarriere einfach niedriger liege. „Das stellt immer noch etwas Besonderes dar; etwas, das nicht jeder mitbringt“, betont Linke.
7. Nach dem Berufseinstieg sinken Chancen auf Auslandsaufenthalte beständig
Dennoch sollte niemand Auslandsaufenthalte während des Studiums versäumen. Niemals wieder fällt der Gang in die Ferne so leicht wie während der Studienzeit. Wer gar glaubt eine Station im Ausland nach dem Berufseinstieg nachholen zu können, dürfte meist enttäuscht werden. „Ein Assignment ist viel zu teuer für die Unternehmen und niemand hat die Zeit dazu“, warnt von Ciriacy-Wantrupp. „Daher sieht man so etwas sehr selten.“
Auch Linke bestätigt, dass Auslandsaufenthalte in jüngeren Jahren leichter fallen. Die Expertin empfiehlt Studenten, schon während ihres Auslandssemesters oder eines Praktikums in der Ferne Kontakte zu knüpfen, die einem später vielleicht sogar den Berufseinstieg im Ausland gewähren.
8. Auslandaufenthalte zeugen von Flexibilität
Auslandsaufenthalte stellen auch ein Zeichen von Flexibilität dar – eine Fähigkeit, die zu schwinden scheint. Laut Linke falle es immer schwieriger Kandidaten selbst zu einem Umzug von Düsseldorf nach München zu bewegen. „Früher wollten viele nicht nach Frankfurt ziehen. Heute sind viele Frankfurter nicht mehr bereit, nach München oder Hamburg zu wechseln“, erzählt Linke. „Das gab es früher so nicht.“ Die Gewichtung zwischen Privat- und Berufsleben habe sich verschoben. Während früher viele für eine berufliche Chance eine Wochenendbeziehung in Kauf genommen hätten, werde die heute immer schwieriger. Wer vor diesem Hintergrund den Gang ins Ausland wagt, kann also immer noch Punkte sammeln.