Als ich bei einer Bank anfing, habe ich mir ein Kostüm mit Geld zugelegt, das ich noch gar nicht besaß. Niemand hat mir erzählt, dass wir uns ab Mitternacht „casual“, aber nicht allzu „casual“ kleiden durften – wesentliche Infos werden von Banken niemals herausgerückt. Einer meiner Kollegen musste in seinem Mantel arbeiten, weil er es gewagt hatte, in seinem Clubbing-Outfit zu erscheinen. Einer anderen Kollegin wurde mitgeteilt, dass sie ihre feschen Leggings unter einem Rock verstecken müsse.
Die richtigen Banker jedoch mussten in ihren Anzügen erscheinen. Da sie sämtliche Schichten durcharbeiteten, mussten sie auf alle – offizielle wie inoffizielle – Kleidungsvorgaben vorbereitet sein. Sie mussten in der Lage sein, in jedem Moment einen Kunden zu treffen.
Für jemanden, der 20 Stunden eines Tages in der Bank verbringt, stellt ein kompetentes Kleidungsmanagement eine der größten Lebenskünste dar – daher sollte dies auch zum Pflichtprogramm eines MBA gehören.
Ihre Anzüge mussten einiges aushalten. Ein Kollege, der seine Karriere in der Modebranche begonnen hatte, musste oft seinen Blick abwenden. Die Jacketts wurden regelmäßig aus Bequemlichkeit abgelegt und wieder übergeworfen, sobald sich die Klimaanlage bemerkbar machte. Durch das Kauern über der Tastatur leierten sie langsam aber sicher aus.
Auch die Hosen verloren ihre Form und erlitten um 4 Uhr nachts Kaffeeflecken, die sich mit den Pizzaflecken von 23 Uhr vermischten. Die Feinmotorik profitiert auch nicht gerade von Schlafentzug und Stress.
Die Bank bot tatsächlich einen hauseigenen Reinigungsservice für ihre Mitarbeiter an und viele deponierten Ersatzhemden an ihren Arbeitsplätzen – gemeinsam mit Reserve-Krawatten und äußerst dreckigen Handtüchern. Dies verlieh dem Großraumbüro das Flair eines Elendsviertels. Ein paar engagierte Seelen stellten tatsächlich Kleiderständer auf. Ich frage mich allerdings, wie es ihnen gelang, diese durch die Security hindurchzubringen. Die Bank erwartete, dass sich die jüngeren Banker perfekt gepflegt zeigten. Allerdings tat sie auch das ihr Mögliche, um sie daran zu hindern.
So verströmten die Hemden nach einem vollen Arbeitstag um 3 Uhr morgens das ganz eigene Aroma des „eau de sweat“ und in der Grafikabteilung konnten wir die Schuppen sogar ihren ehemaligen Besitzern zuordnen.
Um 4 Uhr nachts konnten einige Banker nachhause gehen, um sich zu duschen und ihre Kleidung zu wechseln – selbst wenn es nicht für eine Mütze Schlaf reichte. Wer sich dies aufgrund seiner Projekte nicht leisten konnte, arbeitete einfach weiter. Um für ein frühes Kundenmeeting wieder frisch zu sein, genehmigte sich so mancher unter seinem Schreibtisch ein kurzes Nickerchen. Dabei rieb sein Hemd auf dem verfilzten Teppich und das verdreckte Handtuch diente als Kopfkissen.
Socken stellten oft etwas ganz besonders Delikates dar. Auch wenn es völlig verständlich ist, dass jemand seine Füße aus seinen Schuhen zieht, weil sie nach zwölf Stunden Arbeit geschwollen und verschwitzt sind, verwöhnen die so befreiten Füße doch die Nasen sämtlicher Passanten. Schweißfüße stellen im Banking eine ganz besondere Form einer Berufskrankheit dar Share on twitter.
Dennoch war „schlichtere Kleidung“ keineswegs als tatsächlich schlichte oder gar dreckige Kleidung zu verstehen. Banker, die sich am Wochenende am Arbeitsplatz blicken ließen, trugen meist brandneue, schicke Jeans und Poloshirts. Selbst ihre Pullover schienen direkt aus einem Kleidungsgeschäft der Oberklasse zu stammen. Man hätte die Bilder der Wochenend-Banker problemlos per Photoshop auf das Bild eines Golfplatzes oder Landhauses kopieren können. Niemanden wäre dies aufgefallen.
In der Grafikabteilung verfügten wir über keine festen Arbeitsplätze oder eigene Spinte. Wir mussten unsere gesamte Kleidung und unser Essen jede Nacht in einem Rucksack mitbringen. Um 5 Uhr morgens, als mir meist sehr kalt wurde, teilten wir uns oft einen blauen Wollpullover, bis ihn ein Manager der Tagesschicht entdeckte und entfernte.
So, Sie werden um 3 Uhr morgens keine Schlafanzüge in einer Bank finden. Auch Bademäntel und Latschen suchen Sie vergebens. Allerdings finden Sie stattdessen improvisierte Alternativen. Und gleich wie viel Geld Sie auch für Anzug oder Kostüm ausgeben, nachdem Sie Tag und Nacht darin verbringen, werden sie niemals schick aussehen.
Nyla Nox arbeitete sieben Jahre lang in der Grafikabteilung der „Wichtigsten Bank der Welt“ in London. Dabei hat sie mehr Pitch oder Deal Books – inklusive deren Fehlern – gesehen als ein Banker in seinem ganzen Leben. Bei Pitch Books handelt es sich um Verkaufs- und Beratungsunterlagen, die mithilfe von Powerpoint erstellt werden. Unterdessen hat Nox bereits ihren ersten Roman unter dem Namen „Ich habe es fürs Geld getan“ veröffentlicht.