Christoph Schenk hat es nach einem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Bern bei der Credit Suisse zum Chief Investment Officer Schweiz und bei der UBS zum Global Head Investment Management geschafft. Seit Januar 2014 ist der 50jährige Chief Investment Officer der Zürcher Kantonalbank (ZKB), der nach der Bilanzsumme drittgrößten Schweizer Bank. In einem Interview mit eFinancialCareers.ch erläutert Schenk, wie der CFA ihm in seiner Karriere geholfen hat.
Viele gerade auch jüngere Finanzprofis stehen vor der Frage, ob sie einen CFA machen sollen oder nicht. Die Qualifikation bedeutet viel Arbeit, die Erfolgschancen sind niedrig und die Aussichten auf Gehaltserhöhung oder Beförderung ungewiss. Was würden Sie einem Finanzprofi raten, der vor einer solchen Entscheidung steht?
Grundsätzlich ist die Haltung schon nicht ganz korrekt, wenn man meint, nur weil man einen Abschluss hat, verdient man mehr. Man steigert seinen Net present value und es ist einfacher eine bessere Stelle zu finden.
Ich persönlich habe den CFA nie bereut. Es ist schon so: Es braucht Zeit, es ist aufwendig, vor allem weil es berufsbegleitend ist, aber ich glaube, das macht auch den Wert aus. Ich hatte gerade vorher die Diskussion, ob man nicht etwas Einfacheres anbieten könne. Es geht aber nicht nur um Wissensvermittlung, sondern auch um Ethik. Man beginnt darüber nachzudenken, was ist – neben dem Handwerk – überhaupt unser Job. Man hat ja Verpflichtungen gegenüber den Kunden, dem Arbeitgeber, aber auch gegenüber der Öffentlichkeit. Ein weiterer Vorteil lautet: Man hat nachgewiesen, dass man Englisch kann. Auch heute stellt das für manchen immer noch eine Hürde dar.
Wieso haben Sie sich für einen CFA entschieden?
Für mich persönlich spielte eine Rolle: Ich habe ein Lizentiat in Betriebswirtschaftslehre von der Universität Bern, einen Master in den Begriffen von Bologna. Schnell ist mir bewusst geworden: Wenn ich auf der Welt herumreise und man mich fragte, was ich gemacht habe, dann kennt niemand einen „Master of the university of Bern“. Außerhalb der Schweiz haben Sie keine Chance zu erklären, was Sie für eine Ausbildung haben. Außerdem wurde mir schnell klar: Wenn ich in den Finanzdienstleistungen bleiben möchte, dann muss ich eine Weiterbildung machen. Ein Universitätsstudium reicht einfach nicht.
Dazu bot sich der CFA wegen seiner Internationalität an. Auch innerhalb der Schweiz ist das wichtig. Denn wir holen ja unseren Kunden die Welt ins Portfolio. Dazu müssen wir die Welt verstehen, mit der Welt interagieren und die Weltstandards verstehen. Die Amerikaner haben einfach die Welt mit ihrem System beglückt, ob einem das gefällt oder nicht. Wenn man dabei sein will, muss man die Finanzindustrie auch im Denken verstehen. Da hilft ein CFA weiter, denn man beginnt zu verstehen, wie die Angelsachsen denken.
Das zweite Fach, an dem die Kandidaten immer leiden, ist das Accounting. Doch gerade im Accounting ist viel Angelsächsisches reflektiert. Zusammen mit der Ethik hat mir das zu einem Karriereboost verholfen, weil seit Ende der 90er Jahre nach den Accounting-Standards die Pensionskassen in die Bilanzen der Firmen aufgenommen wurden. Das war ja vorher in der Schweiz nicht so. Und weil ich den CFA hatte, habe ich genau gewusst, um was es dabei geht. Das war damals für die Unternehmen, die Pensionskassen und für die Berater neu. Zu der Zeit kamen auch die ersten Ethikdiskussionen auf. Damals konnte ich quasi aus dem Vollen schöpfen und galt plötzlich von einem Tag auf den anderen als ‚der Experte‘. Das war ein Moment, in dem mir die Ausbildung wirklich einen Karriereschub gegeben hat.
Was sagen Sie Leuten, die sich mehr Geld oder eine Beförderung von einem CFA erhoffen?
Man darf nicht glauben, nur weil ich einen Abschluss habe, bekomme ich 1000 Franken mehr. Vielmehr bereitet man sich auf die nächste Chance vor. Die kommt irgendwann. Aber man ist ja nicht in einem Beamtensystem, wo ich mit einem Abschluss die Lohnklasse wechsle, sondern man ist im Leben, wo es darum geht, das Erforderliche in die Waagschale zu werfen. Ausbildung heißt immer, die Erfolgswahrscheinlichkeit zu erhöhen. Es handelt sich aber nicht um eine Erfolgsgarantie.
Wie sehen denn da Ihre Erfahrungen aus? Bei wie vielen CFA-Absolventen und Kollegen haben sich die Chancen eingestellt? Sie kennen ja sicherlich einige.
Natürlich sind sie gekommen, aber sie kommen nicht dann, wenn Sie es wollen. Der Vorteil des CFA besteht einfach darin, irgendwo hinzukommen, die Visitenkarte mit dem CFA auf den Tisch zu legen und auch der Amerikaner wusste: ‚doch, der versteht etwas‘. Auf diese Weise war man immer auf gleicher Ebene und konnte auf einer Ebene verhandeln. Auch das hat es einfacher gemacht weiterzukommen. Es geht um die längerfristige Wirkung. Es ist nicht der Moment: Bum, Karriereschritt, sondern Sie haben diese Basis über Ihr gesamtes Berufsleben.
Darf ich einmal fragen: Wie weit ist der CFA Standard bei der ZKB?
Bei den Großen, UBS und CS, ist es in Bereichen wie der Vermögensverwaltung Standard. Es ist ja alles angelsächsisch getrieben; UBS und Credit Suisse sind ja im Kern keine Schweizer Banken mehr. Die arbeiten nach den gleichen angelsächsischen Standards wie JP Morgan, Goldman Sachs…
… oder die Deutsche Bank
Ja, oder wie die Deutsche Bank. Wenn man in solchen großen Instituten arbeitet, muss ich nicht einmal im Ausland arbeiten, damit diese Standards relevant werden. Auch wenn ich in der Schweiz lebe, befinde ich mich per se in einem internationalen Umfeld.
Bei der Zürcher Kantonalbank ist es kein Standard. Dort gibt es einen anderen Pfad. Man kommt aus einem klaren, starken Schweizer Fokus hervor. Mit der Übernahme der Swisscanto sind wir zur Nummer Drei in der Schweiz aufgestiegen. Interessanterweise ist die Wahrnehmung bei vielen Leuten: Wenn man einen CFA hat, dann sei das etwas Tolles. Viele sagen: ‚Wir sind vor allem Asset Manager für den Schweizer Markt; wieso soll ich eine internationale Ausbildung machen.‘ Denen erzähle ich: ‚Falsch. Wir als Asset Manager holen unseren Kunden die Welt ins Portfolio. Also müssen wir von der Ausbildung her die Welt verstehen, auch wenn die Dienstleistungserbringung lokal erfolgt.‘
Würden Sie Ihren jüngeren Mitarbeitern bei der ZKB zu einem CFA raten und wieso?
Absolut, so früh wie möglich. Ich halte nicht viel von den Ausreden: ‚Ich kann das nicht, ich kann kein Englisch oder ich habe keine Zeit.‘ Wenn man feststellt, dass es nicht geht, dann kann man immer noch zur zweitbesten Lösung greifen, aber man sollte nicht mit der zweitbesten Lösung anfangen. Man sollte sich nicht überfordern und träumen, aber man sollte auch mal etwas probieren, was schwierig ist.
Weiter sollte man so früh wie möglich anfangen – vor allem, bevor die Kinder kommen. Denn sobald die Kinder kommen, wird es umso schwieriger.
Man kann mit dem CFA sogar schon während des Studiums beginnen. Dabei kommt es zumindest in den Wirtschaftswissenschaften oft auch zu Überschneidungen mit den Studieninhalten.
Das ist auch der Fehler, den ich gemacht habe. Ich hätte auch schon während des Studiums mit dem CFA beginnen sollen. Dann hat man noch mehr Zeit, wenn man ehrlich ist. Später neben Arbeit und Familie wird es dann schwierig für den CFA zu lernen.
Darf ich eine persönliche Frage stellen: Sind Sie auch einmal durch eine der drei Prüfungen zum CFA durchgefallen?
Nein, ich bin durch keine durchgefallen.
Wird das bei Ihnen als Makel begriffen, wenn jemand eine Prüfung nicht besteht?
Nein, im Gegenteil. Ein Kollege hat sich geschämt, dass er nicht beim ersten Anlauf zum Level II durchgekommen ist. Ich habe ihm gesagt: ‚Schau, Dein CFA sieht später nicht anders aus als mein CFA.‘ Darüber hinaus habe ich vor Leuten, die es noch einmal versuchen, viel mehr Respekt. Denn das zeugt von Durchhaltewillen. Auch dabei handelt es sich um einen wichtigen Aspekt dieser Ausbildung – man zeigt Durchhaltewillen. Es ist keine Schande durchzufallen, es ist eine Schande aufzugeben. Am Ende spielt es keine Rolle, wie Sie die drei Level geschafft haben, sondern dass Sie die drei Level geschafft haben.
Wir beobachten, dass sich der CFA in den Finanzdienstleistungen sowohl horizontal als auch vertikal immer weiter ausbreitet. Früher fand er sich vor allem im Aktienresearch und im Portfolio Management, heute auch im Wealth Management, Investment Banking usf. Früher war er auf das Front Office beschränkt, heute wird er auch von Beschäftigten im Middle Office angestrebt. Wem würden Sie von einem CFA abraten?
Ich hatte gerade vorher eine Diskussion, ob der CFA für die Sell-side genauso wichtig wie für die Buy-side sei. Ich habe die Diskussion gar nicht verstanden. Denn am Ende haben wir immer Kunden, zu denen wir ein treuhänderisches Verhältnis haben. In der gesamten Wertschöpfungskette stellen wir unterschiedliche Elemente dar, aber wir befinden uns immer vor der gleichen Problematik. Von daher bin ich der Meinung: Je mehr es machen, umso besser. Durch vermehrte Ausbildung ergibt sich eine Normierung der Sprache, so dass man sich besser verständigen kann. Das kann für die Qualität der Leistungserbringung für den Kunden nur von Vorteil sein. Umso breiter, um so besser. Deswegen würde ich auch einem Mitarbeiter aus dem Middle Office nie von einem CFA abraten. Man weiß ja nie, wo es einem im Leben hin verschlägt.
Welche Tipps würden Sie einem Kandidaten mitgeben, der für einen CFA lernt?
Geheimtipps gibt es nicht und jede Person lernt etwas anders. Den einzigen Tipp, den ich wirklich geben kann, lautet: Viele sind durch die Prüfungen zum CFA durchgefallen, weil sie meinten, sie müssten dem CFA Institute erklären, wie es wirklich ist. Das wird aber nicht erwartet. Verlangt wird die Antwort, wie sie die ‚Learning outcome statements‘ vorgeben. Fokussieren Sie sich und erklären Sie der Welt nicht, wie intelligent Sie sind.