Teilnehmer an Vorstellungsgesprächen wundern sich immer wieder über den Sinn so mancher Frage. Einige erscheinen oberflächlich, andere sonderbar und manche sogar als dumm. Dennoch verfolgen Arbeitgeber mit diesen Fragen oft einen hintergründigen Sinn, der sich dem Bewerber nicht immer sogleich erschließt.
„Sie wollen herausbekommen, wie jemand wirklich tickt und wie er mit Fragen umgeht, auf die er sich nicht vorbereiten konnte“, erläutert Karrierecoach Andrew Pullman von People Risk Solutions, der früher in der HR der Dresdner Bank gearbeitet hat. „Sie wollen die Persönlichkeit und nicht das Profil sehen.“
Wie dem auch sei; in jedem Fall müssen sich Bewerber auf sinnarme Fragen einstellen und diese möglichst geschickt und intelligent beantworten. Wir haben die besten Tipps dazu zusammengestellt.
1. „Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?“
Bei den stürmischen Verhältnissen in der Investmentbanking-Welt lässt sich hierauf kaum eine gescheite Antwort finden. Alles ist möglich: Vielleicht werden Sie durch einen Computer ersetzt und versuchen verzweifelt irgendwo anders unterzukommen. Doch die Wahrheit stellt nicht immer die beste Antwort dar. Tatsächlich wollen die Interviewer mit dieser Frage herausbekommen, ob Sie sich ernsthaft Gedanken über Ihre berufliche Zukunft gemacht haben, langfristig denken und ob Ihre Pläne zu denen des Unternehmens passen.
„Die Antwort sollte sowohl die Funktionen und Verantwortlichkeiten als auch Ihre persönliche und berufliche Weiterentwicklung ansprechen“, empfiehlt Karrierecoach Roy Cohen, der auch einen Survival-Ratgeber für die Wall Street herausgegeben hat. „Die Antwort sollte zeigen, dass Sie die Unwägbarkeiten der Zukunft realistisch einschätzen, dass Sie bei dem Unternehmen bleiben wollen und es als großartige Plattform sehen: ‚Es gibt eine Reihe von Optionen, die mich langfristig interessieren und zwar X,Y und Z.“
2. „Wie würden Sie sich mit drei Worten beschreiben“
„Ehrgeizig“, „Team-Player“, „ergebnisorientiert“, „innovativ“, „Problemlöser“ – wahrscheinlich fallen Ihnen darauf zunächst auch nur solche Klischees ein.
„Sie wollen eine Antwort, die mit einigen greifbaren Beispielen gespickt ist. Wer ein wenig Erfahrung mit Vorstellungsgesprächen mitbringt, wird sofort zwei- oder dreimal nachfragen“, warnt Pullman. „Denken Sie sich etwas Ausgefallenes aus – vielleicht wie Sie sich selbst und andere über das Erwartete hinaus antreiben. Anzugeben, Sie seien detailorientiert, ist ebenfalls OK. Dann sollten Sie sich aber einschlägige Beispiele bereitlegen.“
3. „Erzählen Sie uns von sich“
Eine Alternative hierzu lautet „Führen Sie mich durch Ihren Lebenslauf“. Dabei sollten Sie natürlich nicht trocken die einzelnen Stationen Ihres Lebenslaufes wiederbeten, sondern Ihre Erfolge hervorheben.
„Nutzen Sie diese Frage, um Ihre Leistungen und Ihre Fachkenntnisse herauszuarbeiten“, betont Cohen. „Verschwenden Sie nicht die Zeit Ihrer Gesprächspartner, indem Sie detailliert Ihren Lebenslauf erläutern. Viele verfügen nur über eine kurze Aufmerksamkeitsspanne und werden früh abschalten – besonders wenn Sie ganz von vorne anfangen und eine lange umständliche Geschichte erzählen. Bei einer längeren Karriere macht es Sinn, in der Mitte oder bei einem wichtigen Wendepunkt anzusetzen.“
4. „Wie sieht Ihr Traumjob aus?“
Diese Frage wird meist gegen Ende eines Vorstellungsgesprächs eingesetzt, um Kandidaten auszusieben, die den Job lediglich als Zwischenstation bis zu einer besseren Chance sehen. Diese Frage gibt auch Auskunft über ein Zuviel oder Zuwenig an Ehrgeiz.
„Wir wollen eine Vorstellung von Ihren Erwartungen gewinnen und sicherstellen, dass Ihre Ziele zu unserem Angebot passen“, sagt Pullman. „Falls Sie beispielsweise den Ehrgeiz mitbringen, ein Team von z.B. 30 Leuten zu führen und der Jobs niemals so etwas bieten kann, dann gibt es ein Problem. Im Grunde handelt es sich um die formlose Diskussion Ihrer Karriereambitionen und wie Sie das Unternehmen dabei unterstützen kann.“
In gewisser Hinsicht handelt es sich also um einen gegenseitigen Austausch. Der einfachste Weg, um hier nicht ins Stolpern zu geraten, stellt eine eingehende Recherche zu dem fraglichen Job dar. Fragen Sie bereits während des Interviewprozesses nach den Möglichkeiten zur Karriereentwicklung und nach wachsender Verantwortung.
5. „Wie viele Menschen passen in einen Wagen der Londoner U-Bahn?“ oder „Aus wie vielen Ziegelsteinen besteht das Empire State Buildung?“
Denksportaufgaben haben ein wenig an Bedeutung verloren, seit Google sie aus seinen Auswahlverfahren verbannt hat. Laut Pullman würden die Investmentbanken derartige Fragen immer noch bei Ihren Einstiegsprogrammen stellen. Diese Fragen erscheinen auf den ersten Blick als eine ernsthafte Herausforderung an Ihre geistigen Fähigkeiten. Doch laut Cohen können sich Kandidaten auch hierauf gut vorbereiten. „Sie werden auch gestellt, um die Leute, die sich leicht aus dem Konzept bringen lassen, von denjenigen zu unterscheiden, die immer wieder auf ihre Füße fallen“, meint Cohen.
„Sie müssen zeigen, wie Sie denken, wie Sie mit wenigen Datenpunkten umgehen und logisch denken können, und wie Sie zu einem Schluss gelangen. Auch auf derartige Fragen können Sie sich vorbereiten, indem Sie einige dieser Fragen durchspielen und wissen, dass es nie um die Lösung, sondern um den Denkprozess an sich geht“, sagt Cohen.
6. „Wie würden Ihre Kollegen Sie beschreiben?“
Nein, dies stellt keine Gelegenheit dar, um sich als Team-Player anzupreisen oder sich über Softskills auszulassen. Über seine eigenen Leistungen in der dritten Person zu sprechen, setzt Bescheidenheit voraus.
„Konzentrieren Sie sich auf Eigenschaften und Kompetenzen, die relevant sind und belegen, wie unverzichtbar Sie sind“, rät Cohen. „Ihre Antwort sollte auch der Position entsprechen, für die Sie zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurden. Lange produktive Beziehungen aufzubauen, ist beispielsweise für einen älteren Banker viel wichtiger als für einen jungen Associate, bei dem es auf Energie und Teamwork ankommt. Wenn Sie derartige Beispiele anführen, dann sollten Sie sich auch darauf vorbereiten, diese illustrieren zu können. Ohne Kontext sind sie ohne jede Bedeutung.“
7. „Wieso haben Sie Ihren derzeitigen Arbeitgeber verlassen?“
Kündigungen stellen längst keine Schande mehr dar. Vielmehr sollten Sie die Antwort nutzen, um zu zeigen, dass Sie einen anständigen Abgang gewählt haben.
„Am besten ist es immer, mehrere Gründe zu nennen. Falls eine Begründung nicht überzeugt, dann vielleicht die andere“, kommentiert Cohen. „Nur ein Beispiel: ‚Es gab eine Reihe von Kündigungen und ich habe mir Sorgen um meine Jobsicherheit gemacht. Mein Weg zur Arbeit war überdies lang und ich würde die Zeit auf der Straße lieber in meine Arbeit investieren. Ich empfinde das als Zeitverschwendung. Ich würde auch gerne mehr Verantwortung übernehmen und das wird in der aktuellen Situation angesichts der Kosteneinsparungen und des Stellenabbaus kaum möglich sein.“
8. „Sie sind auf einer leeren Insel gestrandet und sie konnten nur drei Dinge mit sich nehmen. Was würden Sie auswählen?“
Die korrekte Antwort lautet nicht: „Ein Six-Pack kühles Bier, Sonnenkreme, ein gutes Buch und auf keinen Fall meine Frau.“ Auch hier kommt es nicht auf die Antwort an. Vielmehr wollen Arbeitgeber hierdurch ein Einblick in Ihre Persönlichkeit gewinnen.
„Es gibt drei Ziele – bei allen geht es um die Einschätzung des Bewerbers: Sie müssen zeigen, dass Sie klug sind, über ein gutes Urteilsvermögen verfügen und beides sofort einsetzen können“, betont Cohen.