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Aus dem Tagebuch eines Praktikanten: Wie die Analysten von ihrem Bonus erfuhren

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Die vergangene Woche meines M&A-Praktikums ist wie im Fluge verstrichen.  Von ihr wird mir vor allem ein Punkt in Erinnerung bleiben. Es handelt sich um eine fantastische Begegnung, um eine Erfahrung, von der jeder Praktikant träumt.

Dabei bin ich einfach nur in einem Aufzug auf den Chef eines der 100 größten börsennotierten Unternehmen Großbritanniens gestoßen. Und es sollte noch besser kommen: Er befand sich ausgerechnet in Begleitung des Managing Directors meines Teams. Dieser war so freundlich, mich dem Chef des FTSE 100-Unternehmens vorzustellen. Mein erster Gedanke lautete natürlich: „Elevator Pitch!“, aber mir fiel nichts Passendes ein. Immerhin schüttelte er meine Hand und ich sagte ihm, wie toll mein Praktikum ist und ging meines Weges. Auch wenn ich mich daran lange erinnern werde und damit gegenüber den anderen Praktikanten prahlen kann, dürfte dies folgenlos bleiben.

In der vergangenen Woche habe ich versucht, die Reputation für meine Arbeit zu steigern. Weiter habe ich versucht, meinen Bekanntenkreis innerhalb der Bank auszuweiten. Im Grund handelte es sich um nichts anderes als Networking.

Vor einem Praktikum hört man immer von ehemaligen Praktikanten, wie wichtig das Networking sei. Doch ich muss gestehen, dass mir das nicht ganz klar war, bevor ich mein Praktikum angetreten habe. Doch wenn man einmal eine große M&A-Abteilung mit hunderten von Mitarbeitern betreten hat, dann erkennt man schnell, wie viele Mitarbeiter ein Banker kennen muss und wie wichtig die Kontakte sind. Dabei stellt die eigene Reputation die wichtigste Ressource eines jeden Mitarbeiters dar – besonders in dem wettbewerbsintensiven Umfeld, wie es eine Investmentbank darstellt.

Es ist schon beeindruckend, wie lange einige Führungskräfte bereits an Bord sind und die meisten davon besitzen ein tadelloses Ansehen. Ein beträchtlicher Anteil der Mitarbeiter arbeitet schon seit mehr als zehn Jahren für die Bank. Die übrigen blicken ebenfalls auf eine jahrzehntelange Karriere innerhalb der Branche zurück.

Dies stellt schon einen scharfen Kontrast zum unteren Teil der Hierarchie dar. So waren viele Analysten sehr offen zu mir und gestanden, dass sie nicht für ewig im Banking arbeiten wollen. Die meisten Analysten halten es nur zwei oder drei Jahre in einer Investmentbank aus, bevor sie in andere Branchen wechseln. Nicht etwa, weil sie befürchten, irgendwann einmal ihren Job zu verlieren, sondern weil es einfach so schwierig ist, in der Branche eine Karriere aufzubauen. Bei einer Bank anzufangen und sich von hieraus bis in die Führungsebene heraufarbeiten zu wollen, ist unrealistisch. Es genügt vollkommen, bei einer Bank auch nur die ersten Jahre überleben zu wollen.

In der vergangenen Woche wurden die Boni der Analysten und Associates bekanntgegeben. Erstaunlicherweise gab es am Tag davor keinerlei Diskussionen – und das, obwohl der Termin allgemein bekannt war. Für mich handelte es sich schon um eine reichlich interessante Zeit.

Am frühen Morgen wurde ein Teammitglied nach dem anderen in einen Raum gerufen und ihm rasch die Beurteilung seiner Leistung im vergangenen Jahr mitgeteilt – gefolgt von einer bestimmten Zahl. Und  in diesem Jahr handelte es sich um eine große Zahl – oder zumindest um eine größere als im Vorjahr. Es war schon ziemlich lustig mitanzusehen, wie die Analysten und Associates aus dem Raum schlichen und krampfhaft versuchten, ihr kindisches Grinsen zu unterdrücken. Noch besser war es zu verfolgen, wie sie anschließend vergeblich versuchten, sich wieder auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Es gab keinerlei laute Freudenschreie oder Gelächter.

Vielmehr herrschte innerhalb des Teams eine unheimliche Stille. Kein einziger sprach über seinen Bonus. Erstens wollten sie nicht zeigen, wie glücklich sie tatsächlich waren und zweitens fürchteten sie, weniger als die Person neben ihnen zu erhalten. Kein Wunder, dass ich einen ruhigen Abend vor mir hatte. Alle verschwanden frühzeitig aus dem Office.

In der kommenden Woche werde ich mich um das Projekt für das Ende meines Praktikums kümmern. Bis vor kurzen hat jeder die Bedeutung des Projektes heruntergespielt und damit auch wir Praktikanten. Doch plötzlich hat sich der Ton von Personalabteilung und Team gewandelt: Es sei offensichtlich sehr wichtig und könne von entscheidender Bedeutung für den Ausgang unseres Praktikums sein. Es handelt sich also nur um eine weitere schwer einschätzbare Hürde auf dem Weg zu einem Jobangebot. Dabei scheint die Präsentation selbst nicht sonderlich spektakulär auszufallen. Den Praktikanten wurden von ihren jeweiligen Teams eine bedeutsame M&A-Transaktion übertragen. Hierzu sollen wir ein Finanzierungsmodell und einen Pitch für unsere Idee ausarbeiten – so als würde es sich um ein echtes Verkaufsgespräch handeln. Doch unser Pitch richtet sich nicht an Kunden, sondern an eine Jury aus Managing Directors.

Eine der größten Herausforderungen besteht darin, dies mit den anderen Aufgaben in Einklang zu bringen. Dabei fällt die Arbeit in meinem Team ohnehin schwer, weil wir uns inmitten der Urlaubssaison befinden. Einige Analysten nutzen die ruhigste Zeit des Jahres auch, um an Fortbildungen teilzunehmen, andere sind einfach im Urlaub. Nach ein paar Wochen gab es in den Teams plötzlich mehr Praktikanten als Analysten. Ein Zweck der Praktikanten scheint während des Sommers darin zu bestehen, die gelichteten Reihen der Analysten aufzufüllen.

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