Den „bösen Chef“ gibt es eher selten. Laut der Professorin für Organizational Behavior der Frankfurt School of Finance & Management Myriam Bechtoldt handelt es sich bei der Mehrheit der Vorgesetzten nicht prinzipiell um schwierige Charaktere. Das Problem liege vielmehr anderswo. „Macht verändert uns aber“, erläutert die Psychologin. „Wer Macht hat, ist auch im Gespräch deutlich weniger mitfühlend und empathisch. Gerade in der Situation nicht auf den anderen angewiesen zu sein, das verändert das Verhalten.“ Dies lasse sich sogar experimentell beweisen.
Darüber hinaus habe der Vorgesetzte die Karrierestufe des Untergebenen bereits hinter sich gelassen. Damit wirken dessen Schwierigkeiten in den Augen des Chefs als machbar. Weiter müsse der Vorgesetzte auch die Wünsche seines eigenen Vorgesetzten respektieren. „Alle schauen immer nur nach oben. Das kann das Mitgefühl schon verändern“, sagt Bechtoldt.
Konflikte mit Vorgesetzten können im Extremfall sogar zu gesundheitlichen Problemen führen. Laut Prof. Andreas Hillert, Chefarzt der Schön-Klinik Roseneck in Prien am Chiemsee, würden bis zu 75 Prozent der in Prien mit einer Depression aufgenommenen Patienten über erhebliche Belastungen am Arbeitsplatz klagen. „Hierbei stehen Konflikte mit Vorgesetzten bei deutlich mehr als 50 Prozent im Vordergrund“, ergänzt der Experte. Hillert beschäftigt sich wissenschaftlich und therapeutisch mit der Interaktion beruflicher Belastungen und psychischer Erkrankungen. Dabei hat der Arzt regelmäßig auch mit Finanzprofis zu tun.
„Traditionell waren Vorgesetzte ältere erfahrene Kollegen, die quasi von der Pieke auf gelernt hatten und fachlich wie menschlich in der jeweiligen Abteilung verwurzelt waren“, berichtet Hillert. Bei den Führungskräften der älteren Generation habe es sich also um Vertrauenspersonen gehandelt. „Aktuell sind Führungskräfte vorzugsweise junge, in Kaderschmieden auf Linie gebrachte, karriereorientierte Personen, die fachlich ihren Untergebenen vielfach unterlegen sind, zumindest aber das Tagesgeschäft nicht überblicken. Diese Führungskräfte wechseln mitunter recht schnell, haben smarte, unverbindliche Umgangsformen, in vielen Fällen wenig Erfahrung mit der Führungsarbeit und sehen sich mehr als Projektmanager, die nur für eine gewisse Aufgabe und Zeit in der Abteilung sein werden.“ Doch was können Sie unternehmen, wenn Sie selbst mit einem schwierigen Chef konfrontiert sind?
Suchen Sie das persönliche Gespräch
Bei Fehlverhalten des Chefs empfiehlt Karriereberater Jochen Gabrisch aus Frankfurt zunächst das direkte Gespräch zu suchen. „Wenn Sie in einem Meeting schlecht behandelt wurden, dann sollten Sie nicht sofort emotional reagieren“, warnt Gabrisch. Vielmehr gelte es den richtigen Zeitpunkt abzuwarten und das Problem unter vier Augen anzusprechen.
„Man sollte sich menschlich auf einer Augenhöhe bewegen, aber die Hierarchie muss gewahrt bleiben“, betont Gabrisch weiter. Wer indes den eigenen Vorgesetzen öffentlich angreife, habe schon verloren.
Oft ließen sich Missverständnisse schon durch ein einfaches Gespräch ausräumen. „Ich hatte gerade einen Fall, da stellte sich heraus, dass Mitarbeiter und Vorgesetzter nie wirklich miteinander gesprochen hatten“, erzählt Gabrisch. Es handelte sich also nur um ein Kommunikationsproblem. „Die Sache hat sich in kürzester Zeit lösen lassen.“
Versetzen Sie sich in die Situation des Chefs
„Jammern hilft nicht“, betont Bechtoldt. Vielmehr sollte sich der Betroffene in die Situation des Vorgesetzten hineindenken und eine Lösung vorschlagen, die im Eigeninteresse des Chefs liege. „Wenn Sie etwas wollen, dann streichen Sie den Vorteil des Vorgesetzten heraus“, rät die Psychologin.
Auch Gabrisch empfiehlt in einem solchen Gespräch den Chef nicht nur mit Kritik zu konfrontieren. Vielmehr sollten Betroffene den Missstand ansprechen und einen positiven Ausweg aufzeigen. Um den Chef besser zu verstehen und auf ihn eingehen zu können, empfiehlt Gabrisch einen Perspektivwechsel: Wie stellt sich die Situation aus seiner Sicht dar? Auf diese Weise ließen sich Konflikte leichter lösen. „Zum Tanzen gehören immer zwei“, betont Gabrisch.
Ganz ähnlich sieht dies Karrierecoach Gunnar Belden von der Maturias Personalberatung in Potsdam: „Häufig gehen 50 Prozent des Problems mit dem bösen Chef auf einen selbst zurück.“
Immer ruhig bleiben
Bechtoldt empfiehlt Ruhe zu bewahren und möglichst selbstbewusst aufzutreten. „Sie sollten alles unternehmen, was der mentalen Stabilität dient. Angst führt dagegen immer zu Stress und anderen Problemen. Der Terror findet im Kopf statt“, warnt die Psychologin. „Wenn Sie dagegen selbstbewusst und ruhig auftreten, dann strahlen Sie das auch aus. Darauf wird Ihr Vorgesetzter reagieren. Das gibt Ihnen auch die Kontrolle über die Situation zurück.“
Wann die Zeit zum Handeln gekommen ist
Laut Gabrisch sei die Grenze erreicht, wenn die Probleme mit dem Vorgesetzten in die Familie hineinreichen oder zu Schlafstörungen führen. „Ich hatte sogar schon den Fall, da musste ein Klient vom Krankenwagen abgeholt werden, obwohl ihm eigentlich gar nichts fehlte“, erzählt Gabrisch. In einer solchen Situation könne der Gang zum Therapeuten oder Coach geboten sein. Regelmäßig würde es schon helfen, wenn sich Betroffene mit Kollegen austauschen. „Oft ist man ja nicht der einzige, sondern die ganze Firma weiß davon.“ Doch auch in einem solchen Fall könne um einen internen oder externen Wechsel kein Weg vorbei führen.
Benehmen Sie sich nicht wie ein Kind
Betroffene sollten sich niemals zu spontanen Handlungen hinreißen lassen. „Wenn Sie emotional reagieren, haben sie schon verloren“, warnt Gabrisch. Damit würde man dem Chef nur Munition für seine Kritik liefern. Er könne beispielsweise entgegnen: „Sie haben sich nicht in Griff.“ Außerdem würde man dem Chef, Einblicke ins eigene Befinden gewehren, das eigentlich privat bleiben sollte. „Damit geben Sie dem Chef nur die Möglichkeit, dies gegen sie zu verwenden“, warnt Gabrisch.
Wer in einer solchen Situation mit einem Wutausbruch reagiere, begebe sich von einem professionellen Verhältnis auf einem Eltern-Kind-Verhältnis, erläutert der Experte. Dabei sei der Chef der Elternteil und der Mitarbeiter das Kind. „Das ist einer beruflichen Situation nicht angemessen“, warnt Gabrisch.
Belden beobachtet unterdessen, dass sich so mancher Betroffene in die Situation hineinsteigere. „Einige Leute reagieren schon auf die kleinsten Fehltritte des Chefs sehr heftig“, beobachtet Belden. „Viele wollen auch nicht einsehen, dass der Chef am längeren Hebel sitzt.“
Niemals beim Chef des Chefs beschweren
Die meisten Unternehmen verfügen über mehrere Managementebenen. Es gibt also Chefs und Chefs der Chefs. Allerdings rät Belden dringend davon ab, sich beim Chef seines Vorgesetzten zu beschweren. „Nur bei eklatanten Verstößen gegen den Anstand oder rechtlichen Vergehen sollten Sie sich an den Chef Ihres Vorgesetzten wenden“, betont Belden. „In einem solchen Fall muss die Schuldfrage absolut klar sein.“
Falsches Verhalten oder Psychopath?
Wer ernste Probleme mit seinem Vorgesetzten hat, sollte darüber nachdenken, ob es sich bei den Missständen lediglich um ein gewöhnliches Fehlverhalten handle oder ob der Chef an einer psychischen Störung leide. „Gerade in oberen Führungsebenen ist Narzissmus weit verbreitet“, erläutert Gabrisch. Manche Führungskräfte hätten sich so weit hochgearbeitet, dass sie nicht mehr in der Lage oder willens seien, sich anständig zu verhalten. „Dann hilft nur noch der Selbstschutz“, sagt Gabrisch. „Dann kann ein interner oder externer Wechsel durchaus sinnvoll sein, in manchen Fällen sogar notwendig.“
Sprechen Sie im Vorstellungsgespräch niemals von Ihrem bösen Chef
Und wenn bereits ein Vorstellungsgespräch für einen neuen Job ansteht, dann sollten Sie Ihr gespanntes Verhältnis zum Vorgesetzten niemals ansprechen – auch wenn es Ihnen schwerfällt. „Kritik am alten Arbeitgeber ist in einem Vorstellungsgespräch generell tabu“, warnt Belden. Der neue Arbeitgeber würde lediglich eine Mitschuld des Angestellten vermuten. „Das fällt immer auf Sie zurück.“