Mit einem unterschriebenen Arbeitsvertrag in der Tasche ist die Angelegenheit noch lange nicht erledigt. Schließlich muss der Kandidat am neuen Arbeitsplatz auch noch erfolgreich ankommen und das fällt oft schwieriger als erwartet. Karrierecoach Jochen Gabrisch aus Frankfurt, der das Praxishandbuch „Die besten entdecken“ verfasst hat, berichtet von einem Kunden, der drei Jahre bei einem Unternehmen verbracht habe, obgleich allen Beteiligten die Fehlentscheidung bewusst gewesen wäre. „Als der dann bei einem neuen Unternehmen angefangen hat, befand er sich wieder in einer ähnlichen Situation“, erinnert sich Gabrisch.
Um solche Fehlentwicklungen zu vermeiden, haben wir die besten Tipps für die Probezeit zusammengefasst.
Offene Fragen schon beim Vorstellungsgespräch ansprechen
Der Experte empfiehlt schon das Vorstellungsgespräch zu nutzen und die eigenen Fragen auf Augenhöhe und offen zu stellen – selbst wenn diese delikat ausfallen. Dies sei durchaus angebracht. Andernfalls drohten unangenehme Überraschungen am neuen Arbeitsplatz.
Probezeit beginnt ein bis zwei Wochen vor dem Anstellungszeitpunkt
Laut Gabrisch komme es durchaus vor, dass der neue Mitarbeiter am Arbeitsplatz erscheint und die Kollegen es überhaupt nicht erwarten. „Manchmal hat der Mitarbeiter nicht einmal eine E-Mail-Adresse und sitzt nur an seinem Schreibtisch“, warnt der Coach.
Daher rät Gabrisch, sich ein oder zwei Wochen vor dem Arbeitsantritt telefonisch beim neuen Vorgesetzten zu melden. Falls dies unmöglich sei, könne der neue Mitarbeiter bei der Personalabteilung anrufen. Dabei sollte gefragt werden, wie der erste Tag organisiert sei, bei wem man sich melden solle und – ganz wichtig – was sich seit der Unterschrift des Arbeitsvertrages geändert habe. „Durch Kündigungsfristen oder Konkurrenzausschlussklauseln können schon einmal sechs Monate und mehr verstreichen“, warnt Gabrisch. In dieser Zeit kann sich in den schnelllebigen Finanzdienstleistungen viel verändern. Vorgesetzte, Teams und sogar Geschäftsstrategien fallen plötzlich anders aus.
Der erste Tag der Probezeit ist entscheidend
„Schon der erste Tag kann entscheidend sein“, betont Gabrisch. Um Sympathien und Antipathien zu erregen, zähle manchmal schon der erste Eindruck. Daher rät der Karrierecoach, sich für den ersten Tag beim neuen Arbeitgeber einen kleinen Schlachtplan zurechtzulegen. Betroffene können sich Organigramme anschauen und überlegen, wen man am ersten Tag kennenlernen möchte. Wichtig sei auch, sich eine kleine Selbstpräsentation von wenigen Minuten – den sogenannten Elevator-Pitch – zurechtzulegen. Denn schließlich muss sich jeder neue Mitarbeiter den Kollegen vorstellen.
Headhunterin Angela Hornberg von Advance Human Capital in Frankfurt empfiehlt eine Selbstpräsentation vorzubereiten. Diese müsse Namen, Herkunft, Studium und den Grund umfassen, wieso jemand eingestellt worden sei. Die Selbstpräsentation dürfe nur wenige Sätze umfassen und keinesfalls weitschweifig ausfallen. Eine Schlussformel wie „Ich freue mich hier anzufangen“ komme ebenfalls gut an. „Umso mehr man das übt, desto spontaner und persönlicher wirkt es“, betont Hornberg.
Die Bedeutung der weichen Faktoren
Normalerweise wird die Fachkompetenz eines potenziellen Mitarbeiters schon recht früh im Bewerbungsprozess geprüft. Über den Erfolg im neuen Job entscheiden nach Gabrischs Erfahrung oftmals weiche Faktoren: „Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit Vorgesetzten, Mitarbeitern und Kollegen?“ Eine weitere Frage laute: „Wie professionell ist ein Unternehmen aufgestellt und wie professionell laufen die Prozesse ab.“ Meist lasse sich aus den Antworten auf beide Fragen ablesen, ob eine Probezeit erfolgreich verlaufe oder nicht.
Ganz ähnlich sieht dies Hornberg. Ein neuer Mitarbeiter sollte ganz genau hinschauen, wie die Kollegen miteinander umgehen und wie kommuniziert werde. Duzen oder siezen sie sich? Es gelte auch die Büropolitik zu beachten. Wer ist eine Respektsperson und wer hält zu wem? „Um die Unternehmenskultur zu verstehen, dazu braucht man Zeit“, erläutert Hornberg.
Die richtige Grundhaltung macht viel aus
„Man sollte offen sein für Neues“, empfiehlt Gabrisch. Auch wenn man den gleichen Job in der gleichen Branche nur bei einem neuen Arbeitgeber ausübe, könnten die Details doch für einige Überraschungen sorgen. Von daher rät Gabrisch zu einer offenen Grundhaltung. „Wenn man mit einer Einstellung anfängt: ‚Bei uns war alles besser‘ oder mit Verbesserungsvorschlägen ins Haus fällt, dann stößt man viele Leute vor den Kopf“, warnt Gabrisch. Dies gelte besonders für Führungskräfte. Nur wer als Krisenmanager eingestellt worden sei, müsse die Ärmel sofort hochkrempeln.
Für den Normalfall rät Gabrisch erst einmal in den ersten vier oder fünf Wochen gut zuzuhören und zu beobachten. So sollten sich die neuen Mitarbeiter die Organigramme des Unternehmens und die Zuständigkeiten genau anschauen. Teilweise würden die tatsächlichen Verantwortlichkeiten von den formalen divergieren. „In einem Vorstand gibt es ja auch stärkere und schwächere Mitglieder“, resümiert Gabrisch. Um die feineren Details der Unternehmenskultur kennenzulernen, empfiehlt er mit anderen Kollegen zum Mittagessen zu gehen. „Die ersten fünf Wochen mit offenen Augen durch das Unternehmen zu gehen, ist genauso wichtig wie die eigentliche Aufgabe.“
Regelmäßig nach Feedback fragen
Gelegentlich erfahren neue Mitarbeiter erst kurz vor dem Ende der meist sechsmonatigen Probezeit offiziell davon, dass sie nicht übernommen werden. Dann lässt sich Arbeitslosigkeit kaum noch vermeiden. Doch soweit muss es nicht kommen. „Nach zwei oder drei Monaten sollten neue Mitarbeiter fragen, wie die eigene Leistung ankommt“, empfiehlt Gabrisch. Normalerweise stehe dies ohnehin an, aber manchmal werde es versäumt.
Hornberg rät, den neuen Chef regelmäßig um Feedback zu bitten. Anfangs könne dies alle zwei Wochen geschehen, später einmal im Monat. „Das kann ganz kurz ausfallen, fünf bis zehn Minuten sind ausreichend. Niemand hat viel Zeit“, sagt die Personalexpertin. „In Deutschland gibt es keine Kultur der Kritik. Bei einem negativen Feedback wird viel verschleiert. Deshalb muss man ganz genau hinhören.“
Nach zwei oder drei Monaten in der Probezeit fällt die Entscheidung
„Meistens weiß man schon relativ früh in der Probezeit, ob es passt oder nicht“, berichtet der Karrierecoach. „Viele gehen dann in den Gefallensmodus über und machen gute Miene zum bösen Spiel.“ Auf diese Weise solle der dunkle Fleck, den eine Kündigung in der Probezeit im Lebenslauf hinterlässt, vermieden werden.
„Das ist die falsche Herangehensweise“, warnt Gabrisch. Vielmehr sollten Betroffene die verbleibende Zeit bis zum Ablauf der Probezeit nutzen, um sich nach einem neuen Job umzuschauen. „Legen Sie sich einen Plan B zurecht, falls es nicht besser wird“, warnt Gabrisch. Die Angst vor einer Lücke im Lebenslauf hält Gabrisch für übertrieben: „Das wird heute nicht mehr so streng gesehen.“ Problematisch werde es erst, wenn dies wiederholt vorkomme.
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